In München werden orthodoxe Rabbiner ordiniert

Ein "kleines Wunder"

Mehr als 70 Jahre nach der Schließung des bedeutenden Berliner Rabbinerseminars durch die Nationalsozialisten sind am Dienstag in München die ersten beiden Absolventen der neu gegründeten Nachfolgeinstitution zu orthodoxen Rabbinern ordiniert worden.

 (DR)

Der gebürtige Ungar Zsolt Balla und der Ukrainer Avraham Radbil wurden in der Ohel Jakob Synagoge in München in ihr Amt eingeführt. Die Präsidentin des Zentralrates der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, sagte, die erste Amtseinführung orthodoxer Rabbiner vervollständige die Rückkehr des Judentums nach Deutschland.

An der feierlichen Ordinierung der Seminaristen nahmen neben Knobloch unter anderem auch der Präsident der Europäischen Rabbinerkonferenz, Yosef Sitruk, und Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) teil.

Knobloch sprach angesichts der Ordinierung der Seminaristen von einem «kleinen Wunder», das sie bis vor einigen Jahren für unmöglich gehalten habe. Es mache sie unendlich glücklich, in München die erste orthodoxe Rabbinerordination seit dem Zweiten Weltkrieg feiern zu dürfen. Die Rabbiner seien die «geistigen Stützen», die nötig seien, damit «aus Überleben Leben werde», sagte Knobloch. Die Orthodoxie sei der «Garant jüdischen Geisteslebens», da sie das Wertesystem erhalte.

Schäuble bezeichnete die Weihe der jüdischen Rabbiner als einen «historischen Moment für das Wiedererstehen jüdischer Gemeinden». Er sei erfreut, dass dieser symbolische Akt in der Stadt begangen werde, in der die Terrorherrschaft der Nazis begann.

Der 28 Jahre alte Balla lebt seit 2003 in Deutschland. Er wurde von der Israelitischen Religionsgemeinde zu Leipzig als «Wochenendrabbiner» angestellt und wird zudem von Berlin aus die Bildungsprogramme der Organisation Lauder Yeshurun leiten. Avraham Radbil (25) kam mit zwölf Jahren mit seiner Familie nach Leipzig. Er wird im August Assistent des Oberrabbiners der Synagogen-Gemeinde Köln.

Das 1873 von Rabbiner Esriel Hildesheimer gegründete Rabbinerseminar galt als eine der wichtigsten Ausbildungseinrichtungen für orthodoxe Rabbiner in ganz Europa. Es wurde von den Nazis 1938 geschlossen. 2005 gründeten der Zentralrat und die Ronald S. Lauder Foundation ein neues Hildesheimersches Rabbinerseminar. Es hat derzeit neun Studenten und bietet eine dreijährige Vollzeitausbildung an.