Morgenimpuls von Schwester Katharina

Mit Maria vor Gott treten

Immer weniger Menschen kommen zur traditionellen Mai-Andacht, bemerkt Schwester Katharina. Wir müssen Maria neu denken, sagt die Franziskanerin – als starke, stolze Frau.

Statue der Gottesmutter Maria / © Tanakorn Moolsarn (shutterstock)
Statue der Gottesmutter Maria / © Tanakorn Moolsarn ( shutterstock )

Ich bin froh, dass wir auf diesen Wegen hier zusammen mit Gott in den Tag starten können. Der Monat Mai ist ja seither der Gottesmutter Maria geweiht, weil man diese junge Frau mit Schönheit und Reinheit assoziiert, ist das sehr gut nachzuvollziehen.

Der Mai mit dem aufbrechenden Grün und der vollen Blütenpracht der Bäume, Sträucher und Blumen mit der beginnenden wärmeren Jahreszeit und den sonnigen Tagen ist für viele Menschen nach dem dunklen, kalten Winter der Inbegriff von schön, neu und erlösend.

Als Kind hab ich noch Mai-Andachten an jedem Abend in der Kirche und den immer schön geschmückten Mai-Altar im Kinderzimmer erlebt. Die Marienlieder waren schön und gefühlvoll und romantisch und die Texte und Gebete für alle Not und Erfreuungslagen der Menschen geeignet. Irgendwann still und leise, aber immer stetiger, kamen immer weniger Menschen zu diesen Andachten und in den letzten Jahren fielen sie in den meisten Kirchen total aus. Warum eigentlich? Ich denke, dass viele Gläubige gemerkt haben, dass es einfach nicht mehr passt. Das Gefühlvolle und Romantische, das Fürsprechende und Mittlerin-Seiende Gottesmutter. Diese Art der Frömmigkeit ist zu einer Zeit entstanden, wo sich kaum jemand gewagt hat, sich mit seinen Sorgen, Freuden und Nöten direkt an Gott zu wenden und stattdessen einen Mittler und Fürsprecher brauchte.

Aber es gibt auch die andere Seite. Was hat denn diese Form der Verehrung mit dem Bild der Gottesmutter gemacht? War sie tatsächlich nur lieb, freundlich, rosarot, betend, demütig, untergeordnet, das bestehende Herrschaftssystem zementierend? Aus den Berichten der Bibel ergibt sich ein ganz anderes Bild von Maria, eine starke junge Frau, die sich traut, Gottes Pläne nachzufragen, für sich zu klären und dann mitzutragen. Eine Frau, die es wagt, zu sagen, dass dieser Gott die Mächtigen vom Thron stürzen wird und die Niedrigen erhöhen. Und das von Generation zu Generation, die leidenschaftlich, stolz, hingerissen und begeistert von Gottes Taten berichtet.

Eine Frau, die durch alle Höhen und Tiefen eines menschlichen Lebens gegangen ist und trotzdem unbeirrbar an ihrem Gott festgehalten hat. Auch wenn gerade sie alles anders erlebt hat, als sie sich hätte träumen lassen. Ich finde, je mehr ich dieses Bild dieser Frau vor mir habe, desto mehr kann ich mit ihr vor Gott treten und quasi an ihrer Hand meinen Weg der Nachfolge ihres Sohnes gehen. 

 


Quelle:
DR