"Ich war im Gefängnis und ihr habt mich nicht allein gelassen". Wer seine Schuld nicht bezahlen konnte, kam früher so lange in den Schuldturm, bis jemand für ihn die Schuld bezahlt hat. Wer im Gefängnis war, musste von Menschen draußen ernährt werden. Wehe, er blieb ohne Besuch. Das ist natürlich heute in unseren Breiten ganz anders. Aber isoliert sein, das Abgeschnittensein vom Leben draußen, kann für Leib und Seele lebensbedrohlich sein.
Schuldige oder unschuldige Gefangene gab es zu allen Zeiten und gibt es heute noch. Kriegsgefangene, Sklaven, zahlungsunfähige Schuldner, Verbrecher, schuldlos Verschleppte, in den Süchten gefangene Menschen. Aktuell bleibt die Mahnung des Hebräerbriefes: "Denkt an die Gefangenen, als wäret ihr mitgefangen."
"Ich war im Gefängnis", das kann also dann heißen: Wirklich in einer Justizvollzugsanstalt eine Strafe verbüßen, aber auch eingesperrt sein in Vorurteilen und gesellschaftlichen Zwängen, in Armut, in einer ausweglosen Lage, isoliert, abgeschnitten von der Außenwelt. Gefangen sein in einer Sucht, in einem Aberglauben oder vorbestraft sein und nicht nur in Gerichtsakten. Gefangen sein als Flüchtling, Kriegsgefangener, Abschiebehäftling.
"Und ihr habt mich nicht allein gelassen", das kann dann heißen: Einen Gefangenen wirklich besuchen, Briefkontakt pflegen, in einem Kontaktkreis zum Gefängnis mitarbeiten, Amnesty International unterstützen, Resozialisierung möglich machen, Solidarität üben mit Arbeitslosen und in Armut lebenden Gefangenen quasi Menschen. Für den Gefangenen kann das bedeuten, er wird endlich als Mensch wahrgenommen. Nicht abgeschrieben sein, Verbindung nach draußen behalten, Verzeihung finden. Ich glaube schon, dass es manchen von uns möglich sein kann, jemanden zur Seite zu stehen, der oder die in ihren Lebenssituationen so gefangen sind, dass sie ohne Hilfe und Beistand da nicht allein rauskommen.