Moraltheologin erläutert Klima-Empfehlungen des Ethikrats

"Es passiert schon was"

Der Deutsche Ethikrat hat in einer Stellungnahme Empfehlungen zum Kampf gegen den Klimawandel abgegeben. Ethikratsmitglied Kerstin Schlögl-Flierl lobt die Klarheit des Papstes bei dem Thema und mahnt für die junge Generation zur Eile.

Symbolbild Klimawandel / © Scott Book (shutterstock)

DOMRADIO.DE: Sie behandeln in Ihrer aktuellen Stellungnahme die Folgen des Klimawandels mit 13 Empfehlungen. Vom Klimawandel sind die Menschen unterschiedlich stark getroffen und mitverursachen ihn durch ihr Verhalten aber auch unterschiedlich stark. Wie kann da eine Art Klimagerechtigkeit erreicht werden?

Prof. Dr. Kerstin Schlögl-Flierl, Moraltheologin an der katholisch-theologischen Fakultät der Universität Augsburg / © Regina Schwarz (privat)
Prof. Dr. Kerstin Schlögl-Flierl, Moraltheologin an der katholisch-theologischen Fakultät der Universität Augsburg / © Regina Schwarz ( privat )

Prof. Dr. Kerstin Schlögl-Flierl (Professorin für Moraltheologie an der Universität Augsburg und Sprecherin der Arbeitsgruppe zur Klimaethik im Deutschen Ethikrat): Gerechtigkeit spielt bei der Bewältigung des Klimawandels in mindestens dreierlei Hinsicht eine große Rolle. Das fängt schon innerhalb unserer Gesellschaft an. Menschen mit weniger Geld tragen im Schnitt weniger zum Klimawandel bei, werden aber durch viele Klimaschutzmaßnahmen stark belastet.

Auch international sehen wir große Ungleichheiten. Menschen im globalen Süden haben historisch eher wenig zum Klimawandel beigetragen, müssen aber heute oft besonders unter den Folgen leiden. 

Kerstin Schlögl-Flierl

"Aufgrund dieser ganzen Ungleichheiten geht es darum, eine gerechte Verteilung der Lasten, Pflichten und Verantwortlichkeiten zu finden."

Junge Menschen sowie Menschen, die noch nicht einmal geboren sind, werden in Zukunft drastische Klimafolgen zu ertragen haben, die lange vor ihrer Zeit verursacht wurden.

Aufgrund dieser ganzen Ungleichheiten geht es darum, eine gerechte Verteilung der Lasten, Pflichten und Verantwortlichkeiten zu finden. Genau für diese Frage nach Gerechtigkeit haben wir ein Konzept vorgeschlagen, das die Frage der Gerechtigkeit mit der Frage des guten Lebens verbindet.

Es wird auch unseren Lebenswandel und seinen Lebensstil betreffen. Wir werden nicht alles nur gerecht verteilen können, sondern es wird sich auch in unserem Lebensstil und im Lebenswandel etwas ändern müssen. Wir werden uns also anpassen müssen.

DOMRADIO.DE: Der Klimawandel ist ein sehr kompliziertes Phänomen, vor allem in der Frage des politischen Umgangs damit. War es für Sie als Ethikrat schwer, den Text mit den Empfehlungen zu verfassen oder war sich das Gremium recht schnell einig bei den Thesen? Es gibt ja auch ein Sondervotum.

Schlögl-Flierl: Es ist wie immer ein herausfordernder Prozess, 24 Personen gemeinsam an einem Schreibprozess teilhaben zu lassen. Von daher ist das eigentlich ein gängiges Vorgehen. Wir haben viel diskutiert und so soll es ja auch sein. Die Diskussion befruchtet uns ja auch und wir können dann Positionen beziehen. Wir haben Argumente ausgetauscht. 

Wir ringen im Ethikrat wie immer um jedes Wort. In dem Sachstand waren wir uns einig, also dass es den Klimawandel gibt. In den Empfehlungen gab es aber abweichende Meinungen. Die werden durch ein Sondervotum auch dargestellt, aber es ist wie immer ein langer Aushandlungsprozess.

Alena Buyx (r-l), Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, Kerstin Schlögl-Flierl, Mitglied des Deutschen Ethikrates, Armin Grunwald, Mitglied des Deutschen Ethikrates, präsentieren zu Beginn einer Pressekonferenz die Stellungnahme "Klimagerechtigkeit" des Deutschen Ethikrats in der Bundespressekonferenz.  / © Christoph Soeder (dpa)
Alena Buyx (r-l), Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, Kerstin Schlögl-Flierl, Mitglied des Deutschen Ethikrates, Armin Grunwald, Mitglied des Deutschen Ethikrates, präsentieren zu Beginn einer Pressekonferenz die Stellungnahme "Klimagerechtigkeit" des Deutschen Ethikrats in der Bundespressekonferenz. / © Christoph Soeder ( dpa )

DOMRADIO.DE: Reichere Menschen können sich besser vor den Folgen des Klimawandels schützen als ärmere – welche Verpflichtungen erwachsen daraus für ein wohlhabendes Land wie Deutschland mit Blick auf die Bekämpfung der Folgen des Klimawandels?

Schlögl-Flierl: In der Klimaethik nennt man das Leistungsfähigkeitsprinzip. Hinzu kommt für Deutschland das Verursacherprinzip in dem Sinne, dass Deutschland historisch gesehen schon sehr viele CO2-Emissionen verursacht hat. Beide Prinzipien zusammengenommen bedeuten schon für Deutschland, dass es eine tragende Rolle in diesen neuen Bewältigungsstufen übernehmen muss.

DOMRADIO.DE: Sie sind katholische Moraltheologin. Ist die Kirche in Ihren Augen bereits laut genug beim Anmahnen von Klimagerechtigkeit oder ist das Thema noch zu wenig auf der Agenda von Papst und Bischofskonferenzen weltweit?

Schlögl-Flierl: Das Thema Klimawandel ist ja schon sehr deutlich auf der Agenda von Papst Franziskus gewesen. Man erinnert sich nur an die Enzyklika "Laudato si", die ja bei den Pariser Klimaabkommen eine wesentliche Rolle gespielt hat. Als neues Papier gibt es ja "Laudate Deum". Von daher steht das Thema auf der Agenda.

Kerstin Schlögl-Flierl

"Das Thema Klimawandel ist ja schon sehr deutlich auf der Agenda von Papst Franziskus gewesen."

Bei der Bischofskonferenz kann man von verschiedenen Initiativen berichten. Es gibt auch in den einzelnen Bistümern Schöpfungspreise, die ausgelobt werden, oder Klimaschutzkonzepte, die umgesetzt werden. Wenn man aber sieht, wie die Europäische Umweltagentur jetzt diese Woche berichtet hat, dass Europa die Region weltweit sein wird, die die meisten Klimarisiken auf sich nehmen werden muss, würde ich schon sagen, dass wir besonders gefordert sind, noch mehr zu machen.

Enzyklika "Laudato si" / © Cristian Gennari/Romano Siciliani (KNA)
Enzyklika "Laudato si" / © Cristian Gennari/Romano Siciliani ( KNA )

Es passiert schon was, aber ich würde sagen, es kann lauter getrommelt werden und vor allem noch mehr umgesetzt werden. Dieses ins Handelnkommen und konkret werden, das steht jetzt noch an.

DOMRADIO.DE: Sie haben 13 Empfehlungen ausgesprochen. Was wären denn so aus Ihrer Sicht als Moraltheologin die wichtigsten davon?

Schlögl-Flierl: Dass wir in unserer Entscheidung die zukünftigen Generationen miteinbeziehen. Das ist das, was ganz am Schluss steht. Diese intergenerationelle Gerechtigkeit, das kann man sich überlegen, da in politischen Partizipationsprozessen im Sinne einer advokatorischen Ethik zu sagen: Wie können wir jemanden installieren, der immer für die zukünftigen Generationen das Wort erhebt, zum Beispiel in Gesetzgebungsprozessen?

Da gäbe es einiges an Möglichkeiten, die wir auch im Sinne der prozeduralen Gerechtigkeit im Text ansprechen. Mir als Moraltheologen ist das aber an sich ja am meisten ans Herz gewachsen in der ganzen Diskussion um die Frage der Klimagerechtigkeit.

DOMRADIO.DE: Fast 130 Seiten umfasst die Stellungnahme des Ethikrats zur Klimagerechtigkeit. Wen wollen Sie mit dem Schreiben erreichen und was soll sich im besten Fall durch den Text ändern?

Schlögl-Flierl: Wir wollten eigentlich kurz bleiben, muss ich gestehen. Der Text hat ein Literaturverzeichnis, eine Zusammenfassung, zweimal die 13 Empfehlungen und ein Sondervotum. Wirklich reiner Fließtext sind 80 Seiten, aber das soll natürlich nichts entschuldigen. 80 Seiten sind noch ein langer Text.

Kerstin Schlögl-Flierl

"Mit Blick auf die zukünftigen Generationen kann es kein Hinhalten und Hinauszögern mehr geben. Das Thema ist jetzt anzugehen."

Wir wollten in die Tiefe gehen, aber noch nicht zu tief gehen. Wir sind nicht das Gremium, das einzelne politische Maßnahmen vorschreibt. Wir sind ein Empfehlungsgremium. Daher haben wir auf 80 Seiten versucht, ein Konzept zu entwickeln, das nicht nur von Verboten redet, sondern auch von Anreizen und positiven Entwicklungen. Wir haben ein Konzept entwickelt, das versucht, die Transformation, die immer wieder angemahnt wird, auch umzusetzen und positive Narrative zu benennen.

Was wir bewirken wollen: Klima ist ein globales Gemeingut. Und mit Blick auf die zukünftigen Generationen kann es kein Hinhalten und Hinauszögern mehr geben. Das Thema ist jetzt anzugehen.

Das Interview führte Mathias Peter.

Deutscher Ethikrat

Der Deutsche Ethikrat ist ein unabhängiger Sachverständigenrat, der Politik und Gesellschaft in ethischen Fragen berät und Empfehlungen vorlegt. Ziel ist die naturwissenschaftlich-medizinische, ethische, rechtliche und sozialwissenschaftliche Begleitung. Zudem soll er als Dialogforum die öffentliche Debatte voranbringen und mit vergleichbaren Institutionen in anderen Ländern zusammenarbeiten.

Alena Buyx, Vorsitzende Deutscher Ethikrat, Sigrid Graumann, Sprecherin der AG Pandemie des Deutschen Ethikrates, und Volker Lipp, Stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Ethikrates, Pressekonferenz  / © Michael Kappeler (dpa)
Alena Buyx, Vorsitzende Deutscher Ethikrat, Sigrid Graumann, Sprecherin der AG Pandemie des Deutschen Ethikrates, und Volker Lipp, Stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Ethikrates, Pressekonferenz / © Michael Kappeler ( dpa )
Quelle:
DR