Moraltheologe wirbt für Organspende - warnt aber vor großem Druck

"Man darf nicht Ängste schüren"

"In jedem steckt ein Lebensretter", werben aktuell die deutschen Apotheker: Die Organspende ist wieder in der Diskussion. Im Interview mit domradio.de erklärt der Frankfurter Moraltheologe Josef Schuster die Position der Kirche und sein Unbehagen gegen eine Widerspruchslösung.

 (DR)


domradio.de: Fänden Sie das gut, wenn künftig auf dem Personalausweis oder Führerschein stehen würde, dass man Organspender ist?

Schuster: Ich fände das durchaus sinnvoll. Allerdings immer mit der Möglichkeit, dass man auch einen solchen Eintrag löschen kann. Denn es gibt nun mal Ängste. Wenn jemand gefragt wird, ob er Spender sei und das dann entsprechend vermerkt wird, will er sicher auch wissen, ob das - wenn er seine Meinung ändert - auch gelöscht werden kann und nicht für Zeit und Ewigkeit dort stehen bleibt. Das ist ein ganz wichtiger Gesichtspunkt. Bei allen Regelungen, die man überlegt, muss man eines bedenken: Man darf nicht Ängste schüren. Es gibt noch genügend Ängste in diesen Fragen. Und es wäre kontraproduktiv, wenn man irgendeine Regelung ins Auge fasst, mit der man zusätzlich Ängste produziert. Das muss man bei jeder Regelung bedenken.



domradio.de: Dem gegenüber steht die so genannte Widerspruchslösung. Die sieht vor, dass alle automatisch Organspender sind, die nicht zu Lebzeiten widersprochen haben. Was halten Sie von diesem Lösungsansatz?

Schuster: Ich halt von diesem Ansatz nicht so viel, weil er Ängste schürt. Ich halte viel mehr von einer Regelung, bei der jeder in seinem Leben einmal gefragt wird, ob er bereit ist, Organe zu spenden. Mit der Maßgabe, dass er auch seine Meinung wieder revidieren darf. Das halte ich für sinnvoll. Auch unter dem Gesichtspunkt, dass sich jeder dann diese Frage einmal ernsthaft stellen muss. Es ist ja interessant, dass etwa 75 bis 80 Prozent der Bevölkerung für Organspende sind und nur zwischen 15 und 25 Prozent haben überhaupt einen Ausweis. Diese Diskrepanz kann man durchaus überbrücken, indem man etwas größere Verbindlichkeit beim Fragen ins Spiel bringt.



domradio.de: Ist das Thema Organspende wirklich mit so viel Angst belastet oder ist es nicht einfach die Bequemlichkeit?

Schuster: Es gibt mehrere Gründe. Und ein Grund ist Uninformiertheit. Aber einer ist nach wie vor, dass Menschen Ängste haben: dass sie zu früh für tot erklärt werden; dass man, wenn man sie als mögliche Organspender ansieht, nicht alles tut, um ihr Leben zu erhalten. Diese Ängste gibt es.



domradio.de: Warum ist die Organspende aus christlicher oder moraltheologischer Sicht wichtig?  

Schuster: Die deutschen Bischöfe haben mal - damals noch vereint mit der Evangelischen Kirche in Deutschland - erklärt, dass die Organspende ein Akt der Nächstenliebe sei. Allerdings ein solcher Akt, der nicht eingefordert werden kann. Das ist nicht etwas, wo ein anderer einen Rechtsanspruch darauf hätte, sondern das ist eine Gabe. Ich halte es persönlich so, dass ich sage, was kann eigentlich mit meinem toten Leib Besseres passieren, dass einige seiner Organe noch anderen Menschen helfen, besser weiterzuleben. Das klingt ganz unheroisch - und ist es auch.



Das Gespräch führte Christian Schlegel.