Mittagsgebet in der Berliner Hedwigskathedrale

"Zu Weihnachten gehört auch die Nacht"

Nach dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt hat Erzbischof Heiner Koch zu einem stillen Mittagsgebet in die Hedwigskathedrale eingeladen. Pressesprecher Stefan Förner sagte domradio.de, wie dieses Mittagsgebet angenommen wurde.

Trauer in Berlin / © Michael Kappeler (dpa)
Trauer in Berlin / © Michael Kappeler ( dpa )

domradio.de: Welche Worte hat Bischof Koch für die sicher sehr bewegten Menschen in der Hedwigskathedrale gefunden?

Stefan Förner (Leiter Pressestelle des Erzbistums Berlin): Er hat an die Nacht an Weihnachten erinnert. Weihnachten ist nicht nur das, was wir so oberflächlich an Weihnachten erleben, also Spaß, Freude und Glühwein. Zu Weihnachten im christlichen Sinne gehört auch die Nacht, das Dunkel, das Leid, das Schreckliche und Schwierige. Dieser Gedanke könnte helfen, die Nacht des Anschlags in der kommenden Zeit besser verstehen zu können. Bischof Koch hat aber auch davor gewarnt, voreilig und ganz schnell zur Tagesordnung zurückzukehren mit schnellen Erklärungen und falschem Trost für die Menschen, die Angehörige verloren haben oder noch um das Leben ihrer Angehörigen bangen. Das darf man nicht einfach wegwischen, indem man eine Talkshow macht und dann ist wieder alles gut.

domradio.de: Wurde das Angebot eines gemeinsamen Gebets in der Hedwigskathedrale gut angenommen?

Förner: Die Kathedrale war voll. Normalerweise wird um 12 Uhr der Engel des Herrn gebetet, da sind vielleicht 30 oder 40 Leute da. Heute waren es bestimmt 400 Menschen, teilweise Touristen, wie man sehen konnte, die eigentlich zum Weihnachtsmarkt und zum vorweihnachtlichen Berlinbesuch angereist waren und meiner Meinung nach ganz froh waren, an diesem Ort zu sein, wo man mal nichts machen oder erklären muss. Wo man einfach mal sein und traurig sein kann.  

domradio.de: Es sollte ja ein stilles Gedenken werden. War es möglich, diese Stille zu bewahren?

Förner: Es war ein relativ kurzes Gedenken, das ungefähr 20 Minuten gedauert hat. Das Mittagsgebet hat mit Orgelmusik begonnen, die viel Ruhe in die Kathedrale gebracht hat. Dann hat Bischof Koch gesprochen und danach gab es eine stille Zeit wieder nur mit Orgelmusik.

domradio.de: Es wird jetzt rund um diesen Anschlag auf dem Weihnachtsmarkt verbal von einigen Kreisen mächtig aufgerüstet, sogar von einem Kriegszustand ist die Rede. Wie reagieren die Menschen, denen Sie begegnet sind?

Förner: Ich habe den Eindruck, dass es einen gewissen Trotz gibt. Die Leute, mit denen ich gesprochen habe, sagen: wir lassen uns nicht aus der Ruhe bringen und davon abhalten, Weihnachten zu feiern. Egal ob wir das in einem christlichen Sinn sehen oder ob wir die freien Tage in einer anderen Form nutzen.

domradio.de: Heute (20.12.16) Abend wird es noch einen Gedenkgottesdienst in der Gedächtniskirche geben, mit Bischof Koch und Bischof Dröge von der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz. Was wird da anders sein als während des Mittagsgebets?

Förner: Der Gedenkgottesdienst wird viel breiter aufgestellt sein. Die evangelische Kirche wird natürlich da sein, die katholische Kirche und andere christliche Kirchen, die sich angemeldet haben. Ich glaube, es wird noch deutlicher werden, was Bischof Koch gesagt hat: wir dürfen uns auf gar keinen Fall, von wem auch immer, auseinanderdividieren lassen. Weder von Leuten, die diesen Anschlag zum Anlass nehmen, ihre politischen Parolen noch einmal neu zu akzentuieren, noch von Menschen, die vor Krieg warnen oder den Krieg schon gegenwärtig sehen. Wir müssen zusammenbleiben und uns auf das besinnen, was auch an Weihnachten auf uns zukommt: das ist die Botschaft vom Frieden. „Frieden auf Erden“ – dahin wollen wir.

Das Interview führte Heike Sicconi

(dr)


Stefan Förner / © Erzbistum Köln
Stefan Förner / © Erzbistum Köln
Quelle:
DR