Mit klaren Signalen verabschiedet sich der Papst in den Urlaub

Das Heft in der Hand

Mit klaren Signalen hat sich Papst Benedikt XVI. in den Urlaub verabschiedet. Kurz vor der Abreise nach Castel Gandolfo ernannte er den neuen Präfekten der Glaubenskongregation, den Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller - und beendete damit monatelange Spekulationen. Nachdem er bereits seinen Sommersitz am Albaner See bezogen hatte, überraschte er am Mittwoch mit einer weiteren Klarstellung: Er sprach Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone, der zuletzt aufgrund seiner Amtsführung unter Beschuss stand, sein volles Vertrauen aus.

Autor/in:
Johannes Schidelko
 (DR)

Während die Ernennung Müllers anstelle des amtsmüden US-amerikanischen Kardinals William Levada zuletzt absehbar war, kam die Vertrauensgeste für Bertone unerwartet. Benedikt XVI. wischte alle Spekulationen über eine bevorstehende Abberufung seines Staatssekretärs vom Tisch. Er erinnerte an das, was er seinem langjährigen Weggefährten schon vor zwei Jahren zum 75. Geburtstag geschrieben hatte: Dass er auch in Zukunft nicht auf die Zusammenarbeit verzichten möchte. Zur Dauer dieser neuen Verlängerung äußerte er sich freilich nicht näher.

Zuletzt war breit spekuliert worden, Benedikt XVI. werde vielleicht doch dem Druck von Medien und Öffentlichkeit nachgeben. Möglicherweise könnte er direkt nach der Sommerpause im September, spätestens zum 78. Geburtstag Bertones am 2. Dezember einen Nachfolger nominieren, hieß es. In den Gazetten kursierten bereits lange Listen möglicher Nachfolger.

Abgesehen vom Vertrauensbeweis für einen treuen Mitarbeiter ist das gerade zwölfzeilige Schreiben ein Signal, dass der Papst nach turbulenten Monaten das Heft im Vatikan fest in der Hand hat. Durch die in dieser Form ungewöhnliche Veröffentlichung machte er deutlich, dass er an Bertone festhält, dass er ihn gegen "ungerechtfertigte Kritik" und gegen Kritiker verteidigt. Wie ernst es ihm derzeit mit Klarheit ist, zeigte zudem eine Entscheidung wenige Tage zuvor: als er den slowakischen Bischof vom Tyrnau, dessen Diözese durch Finanzaktionen auffällig geworden war, kurzerhand seines Amtes enthob.

Ungelöste Probleme
Trotz päpstlicher Entschlussfreude in Personalfragen bleiben mit Sommerbeginn im Vatikan etliche offene Baustellen. Sieben Wochen nach der Verhaftung des päpstlichen Kammerdieners sind Ausmaß, Mittäter, Hintermänner und Motive von "Vatileaks" unbekannt. In den nächsten Tagen soll Paolo Gabriele aus der Haftzelle in Hausarrest übersiedeln. Ob und wann ein Verfahren eröffnet wird ist unklar. Unbekannt ist auch, was die drei mit der Aufklärung betrauten Kardinäle bei ihren bislang 28 Befragungen in Erfahrung gebracht haben. Die von Kardinal Julian Herranz angekündigte "Überraschung" lässt auf sich warten - und mancher vermutet bereits ein Missverständnis.

Ungelöst ist weiter die Lage an der Spitze der Vatikanbank IOR. Ein Nachfolger für den entlassenen Aufsichtsratsvorsitzenden Ettore Gotti Tedeschi soll erst im Herbst installiert werden. Unterdessen ist weiter unklar, ob die Reformen und Transparenzbemühen des Vatikan aus den letzten beiden Jahre von den Prüfern des Europarats-Expertenausschusses "Moneyval" als ausreichend bewertet werden.

Unklarheit besteht auch hinsichtlich der Chancen einer Einigung mit den Piusbrüdern. Nach einer Euphorie im Frühjahr, als ein Ende der Kirchenspaltung nahe schien, haben sich zuletzt wieder Vorsicht und Skepsis breitgemacht. Beobachter sind unsicher, ob das Generalkapitel der Priesterbruderschaft St. Pius X., das vom 9. bis 14. Juli im Schweizer Econe tagt, tatsächlich die vom Vatikan vorgelegte "lehrmäßige Präambel" unterzeichnet. Zuletzt hörte man selbst aus der Umgebung des ausgleichswilligen Pius-Oberen Bernard Fellay kritische Äußerungen. Von "Schwierigkeiten in Glaubensfragen" und von weiterem Gesprächsbedarf war die Rede. Diesen sieht der Vatikan freilich nach den 18-monatigen Expertengesprächen ausgeschöpft. Damit scheint offen, ob es demnächst zu einer Einigung mit einem Teil der Priesterbruderschaft kommt - oder zu einem Schisma.