Mit der "Volkszählung" der biblischen Weihnachtsgeschichte hat der heutige Zensus wenig gemein

"Es begab sich aber zu jener Zeit..."

"Es begab sich aber zu jener Zeit..." Die Sache mit Kaiser Augustus und der Volkszählung aus dem Weihachtnachtsevangelium nach Lukas ist ein alljährlicher Klassiker. Jeder kennt"s, kein Gemüt erhitzt sich darüber. Ähnlich entspannten Gleichmut wünscht sich das Statistische Bundesamt auch für die Volkszählung, die es im Mai erstmals seit über 20 Jahren wieder durchführt.

Autor/in:
Karin Wollschläger
 (DR)

Manch einer mag sich noch an die massiven Proteste erinnern, die die "Inventur" in den 80er Jahren begleiteten. Und heute, wo die lautstarke Mahnung zum "sensiblen Umgang mit Daten" gleichsam ein Mantra geworden ist, dürfte die größte gesamtdeutsche Datenerfassung wohl kaum still und leise vonstatten gehen.



Anlass für die Volkszählung am 9. Mai, die offiziell Zensus heißt, ist eine EU-Verordnung, die Volks- und Wohnungszählungen im Abstand von zehn Jahren vorschreibt. Deutschland ist mehr als fällig:

Zuletzt waren die Bürger im Westen 1987 und im Osten 1981 offiziell "gezählt" worden. Damals musste noch jeder einzeln Auskunft geben. Das ist nun anders: Lediglich zehn Prozent der Bevölkerung werden direkt befragt, die restlichen Angaben ziehen die Statistikämter aus Melde- und Erwerbsregistern. "Mit dieser neuen Methode ist das ganze Verfahren genauer, weniger belastend für die Bevölkerung und kostengünstiger", erläutert der Leiter der Zensuskommission, Gert Wagner. So belaufen sich die geschätzten Kosten "nur noch" auf etwa 710 Millionen Euro.



Mit der "Volkszählung" der biblischen Weihnachtsgeschichte hat der heutige Zensus freilich nichts gemein. "Kaiser Augustus hat damals die Zählung angeordnet, um eine umfassende Adresskartei zum Steuereintreiben aufzubauen", erklärt Wagner. Beim Zensus hingegen werde eine "absolut anonyme" Statistik zu Größe und Struktur der Bevölkerung erstellt. Unermüdlich wiederholt Wagner, dass der Datenschutz oberste Priorität habe. "Es fließen keine Daten an die Behörden wie etwa Finanzamt oder Polizei zurück, und es wird auch nichts dauerhaft gespeichert." Zudem kontrolliere der Bundesdatenschutzbeauftragte streng.



Mit dem Zensus einher geht ein statistisches Großreinemachen. Ob Länderfinanzausgleich, Einteilung der Bundestagswahlkreise oder Stimmenverteilung im Bundesrat - all das hängt von Einwohnerzahlen ab. Und die sind derzeit mehr als ungenau. Nach der letzten Volkszählung wurden die amtlichen Zahlen nur statistisch hochgerechnet. Doch das wird um so ungenauer, je älter die Daten sind. Und viel ist passiert: der Mauerfall, zahlreiche Umzüge von Ost nach West, eine fortschreitende europäische Integration. Das hat in den Melderegistern zu zahlreichen "Karteileichen" und "Doppelbuchungen" geführt.



Ein zweites Ziel des Zensus ist es, Informationen zum Wohnraum, zur Bildung und zum Erwerbsleben zu gewinnen. Wie viele Erwerbstätige gibt es? Wo werden wie viele Kinder eingeschult? Wie viele Wohnungen gibt es? Um diese gerade für kommunale Planung wichtigen Fragen zu beantworten, braucht man genaue und aktuelle Strukturdaten.



Wie schon bei der Volkszählung 1987 lässt die Bundesregierung auch jetzt die Religionszughörigkeit ermitteln. Zusätzlich fragen die Statistiker nach dem Bekenntnis zu einer Glaubensrichtung. Die Angabe ist - als einzige in dem Fragebogen - freiwillig. Die Ankreuzmöglichkeiten lauten: Christentum, Judentum, Islam (unterschieden nach sunnitisch, schiitisch und alevitisch), Buddhismus, Hinduismus, Sonstige sowie "Keiner Religion, Glaubensrichtung oder Weltanschauung".



Statistiker und Politik erhoffen sich durch die Bekenntnis-Frage nicht zuletzt konkretere Angaben zur Zahl der Muslime in Deutschland. Da der Islam - anders als die rechtlich verfassten Kirchen und Religionsgemeinschaften - keine offizielle Mitgliedschaft kennt, wurde er bislang nicht statistisch erfasst. Inwieweit der Zensus hier tatsächlich verlässliche Angaben bringen wird, bleibt fraglich. Zum einen wegen der Freiwilligkeit der Angabe, zum anderen, da die Korrektheit der Aussage des Befragten nicht überprüft werden kann.