Mit den Olympischen Spielen stand China auf dem Prüfstand

Wenn die letzte Hymne verklungen ist

Mit einer großen Abschlussfeier gingen am Sonntag die Olympischen Spiele in Peking zu Ende. Das Internationale Olympische Komitee zeigte sich zufrieden. Die Bilanz von Menschenrechtlern und Journalisten dagegen fiel negativ aus: Festnahmen, Zensur, Schikane. Und wie wurden die Spiele in China selber wahrgenommen? Und was bedeuteten sie für das Land?

Autor/in:
Jutta Lietsch
 (DR)

Mit einer großzügigen Geste bedankte sich der dreifache Olympiasieger und Schnellläufer Usain Bolt aus Jamaika am Wochenende bei seinen chinesischen Gastgebern: Er spendete 50.000 US-Dollar für Kinder, die Opfer des großen Erdbebens im Mai geworden waren.
Außerdem lud er sechs der Kinder zu einer Reise nach Jamaika ein.

Er wünsche den Bewohnern der zerstörten Provinz, dass sie die Tragödie verkraften und die Vergangenheit vergessen könnten, sagte der 21-jährige Athlet der amtlichen chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua zufolge: "Man muss nach der Katastrophe nach vorne gehen. Die Olympischen Spiele rufen die Menschen auf, nach vorn zu gehen", so der Ausnahmesportler.

Wie "Menschlichkeit den Olympischer Ruhm durchdringt"
Pekings Medien feierten Bolts Hilfe als Bespiel dafür, wie die Welt in den letzten Tagen durch Olympia zusammengerückt sei, und wie "Menschlichkeit den Olympischer Ruhm durchdringt". Die erstaunlichen Leistungen des Jamaikaners über 100 und 200 Meter und beim Staffellauf hatten chinesische und internationale Zuschauer im Vogelnest-Stadion von den Sitzen gerissen.

Auf den Straßen Pekings und in den Stadien war die Freude der chinesischen Zuschauer über das gute Abschneiden Chinas in den Olympiatagen deutlich zu spüren - ebenso wie der Stolz darüber, dass die Organisation des Wettbewerbs so gut geklappt hatte. Aus dem Radio erfuhren die Bewohner der Stadt vom Lob der Pekinger Spiele durch Zeitungen, Politiker und Sportler aus dem Ausland.

"Ich finde es so gut, dass wir so viele Medaillen haben, das zeigt doch, das China eine großartige Zukunft hat", sagte die 37-jährige Wäschereibesitzerin Xu aus Peking und wiederholte eine immer wieder gehörte Ansicht: "Das wird die Geschäfte sicher ankurbeln."

Bis zum Abschluss der Spiele am Sonntag hatten Chinas Athleten 51 Goldmedaillen errungen - und damit die einstigen Olympiagiganten USA (36) und Russland (23) weit abgehängt.

Was bedeuten die Goldmedaillen für das Land?
In Diskussionsforen im Internet fragen sich manche Chinesen allerdings, was die vielen Goldmedaillen für ihr Land bedeuten - und ob die großen Investitionen in das nationale Sportförderungssystem, das Chinas Spitzenathleten hervorbringt, nicht zu einseitig sind.

Während eine Elite von Athleten in speziellen Sportschulen aus den Kassen der Städte und Regionen bezahlt werde, "ahnen wir, wie wenig die gewöhnlichen Bürger daran teilhaben", schrieb jüngst ein Kommentator der populären Webseite "QQ". Für den Breitensport werde, vor allem auf dem Lande, dagegen viel zu wenig getan: "Da gibt es oft nicht einmal einen Pingpong-Tisch." Andere Pekinger fragen sich, was der Unterhalt der großen Stadien und Sporthallen kosten wird, und fordern eine Offenlegung der Olympia-Finanzierung.

Wie freimütig und kritisch solche Debatten in Zukunft geführt werden können, wird ein Maßstab dafür sein, ob die Politik des Landes durch Olympia liberaler geworden ist, wie Olympia-Funktionäre in Peking und Mitglieder des Internationalen Olympischen Komitees zuvor angekündigt hatten.

Die Erfahrungen der vergangenen Wochen geben allerdings Anlass zum
Zweifel: Zahlreiche Bürgerrechtler sind derzeit unter Hausarrest oder verschärfter Beobachtung, andere wurden von Polizisten so eingeschüchtert, dass sie die Hauptstadt während der Spiele verlassen haben. Ein Gruppe internationaler Demonstranten, die Spruchbänder für ein "Freies Tibet" ausgerollt hatten, wurde zu zehn Tagen Haft verurteilt. Journalisten, die Proteste beobachten wollten, wurden zuweilen rüde an ihrer Arbeit gehindert.