Mit dem Schulstart beginnt für viele Kinder der Islamunterricht

Angebot noch in den Kinderschuhen

19.400 Schüler in NRW erhalten im neuen Schuljahr Islamische Religionslehre. Zwar sind das 3.300 Kinder und Jugendliche mehr als im vergangenen Schuljahr. Doch aus Expertensicht steckt das Fach nach wie vor in den Kinderschuhen.

Autor/in:
Ulrike Hauswald
Islamunterricht / © Frank May (dpa)
Islamunterricht / © Frank May ( dpa )

Der Schulstart naht - und bald dreht sich für die Schüler wieder alles um Mathe, Deutsch oder Englisch. Und für einige um ein Fach, über das viel diskutiert wird: den islamischen Religionsunterricht. Nicht nur christliche Schüler setzen sich in der Schule mit ihrem Glauben auseinander.

Seit fünf Jahren können dort auch muslimische Kinder und Jugendliche in Nordrhein-Westfalen ihre Religion näher kennenlernen. Eine der ersten Lehrer ist Bernd Ridwan Bauknecht. Der 51-Jährige aus Bonn zieht eine durchweg positive Bilanz über die Anfangsjahre.

Schrittweise Einführung des Religionsunterrichts

In Nordrhein-Westfalen leben zwischen 1,3 und 1,5  Millionen Muslime. Die Zahl der Schüler unter ihnen beläuft sich auf rund 364.000. Für sie wird schrittweise der Religionsunterricht eingeführt. Im neuen Schuljahr wird er laut Schulministerium von 211 Lehrkräften 19.400 Schülern erteilt. Das sind 3.300 Schüler und 44 Lehrkräfte mehr als im vergangenen Schuljahr. Aber nur rund 5,3 Prozent aller muslimischen Schüler können das Fach besuchen.

Bauknecht hat die notwendige Lehrerlaubnis, die Idschaza, für das Fach. Nebenher engagiert er sich in der Deutschen Islamkonferenz (DIK) und als Sachverständiger beim "dialogforum-nrw". Er hält Vorträge und besucht Tagungen, um Fachkollegen fortzubilden. "Wir machen hier keinen Unterricht, der von oben sagt, was der wahre Glaube ist", betont der Pädagoge. Die Kinder sollen sich selbst und ihr Bekenntnis hinterfragen. Dabei sieht er in den verschiedenen Richtungen innerhalb des Islam kein Konfliktpotenzial - im Gegenteil.

"Da streitet sich niemand, weil er Schiit oder Sunnit ist." Vielmehr stellten die verschiedenen Quellen des Islam eine Bereicherung für den Unterricht dar.

Islamunterricht noch in den Kinderschuhen

Dem Pädagogen kommt zugute, dass er sich schon mit Spiritualität und den verschiedenen Religionen auseinandergesetzt hat, bevor er zum Islam konvertierte. Als Kind sei er Christ gewesen. Doch mit der Pubertät habe er den Glauben verloren. Als er aber mit Anfang 20 seine Frau kennengelernt habe, die als Kind aus der Türkei nach Deutschland gekommen ist, habe er einen neuen Zugang zur Religion bekommen. "Da habe ich mich immer mehr mit dem Koran auseinandergesetzt". Und er hat die Religion seiner Frau für sich entdeckt. In der Folge begann er ein islamwissenschaftliches Studium.

Der Experte sieht den Islamunterricht noch in den Kinderschuhen. Zwar wurde ein offizieller Lehrplan entwickelt. Und inzwischen sind auch einige Lehrmaterialien auf dem Markt. Was aber noch fehle sei eine ausgearbeitete Koran-Didaktik, so Bauknecht. Diese spezielle Religionspädagogik müsse sich erst noch entwickeln. Der Lehrer verweist darauf, dass es erst seit wenigen Jahren die ersten islamisch-theologischen Lehrstühle in Deutschland gibt. Dabei könne man viel von der evangelischen und katholischen Religionspädagogik lernen, aber man müsse auch einige Dinge unterscheiden. "Der Koran ist anders aufgebaut und hat eine ganz andere Tradition als die Bibel, da müssen wir andere Ansätze finden", findet er.

Überhaupt wünscht sich Bauknecht eine viel größere Mitsprache der Muslime bei der Gestaltung des islamischen Religionsunterrichts. Derzeit wirkt in NRW ein Beirat, in den die islamischen Verbände und das Schulministerium je vier Vertreter entsenden, am Lehrplan mit.

Unterkühlter Dialog

Dieser erteilt auch die Lehrerlaubnis für die Pädagogen. Aber letztlich müsse es darum gehen, dass die muslimischen Verbände wie die Kirchen als Religionsgemeinschaft und später als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt werden, um selbst über die Inhalte und die Lehrkräfte zu entscheiden.

"Leider ist der Dialog zwischen staatlichen Stellen und den Religionsgemeinschaften in Form von Dachverbänden etwas unterkühlt momentan", beklagt Bauknecht angesichts der Konflikte um den deutsch-türkischen Moscheeverband Ditib und den Vorwurf, dass dieser von Ankara gelenkt wird. Deshalb dürfe der Staat aber nicht alle Verbände "als konservativ-traditionalistisch in eine Ecke stellen", betont der Lehrer. "Ich denke, dass man einzelne Dachverbände als Religionsgemeinschaft anerkennen muss, damit wir einen Partner haben."


Religionslehrer Bernd Ridwan Bauknecht spricht mit Schülern / © Harald Oppitz (KNA)
Religionslehrer Bernd Ridwan Bauknecht spricht mit Schülern / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
KNA