Eine unabhängige Studie bescheinigt dem Bistum Augsburg eine positive Entwicklung im Umgang mit Missbrauch. Diözesanbischöfe und ihre Stellvertreter, die Generalvikare, hätten in den untersuchten Fällen seit 1948 zu gut einem Drittel im Umgang mit Missbrauchsfällen nicht angemessen gehandelt, also sie etwa vertuscht, sagte Hubert Paul am Donnerstag in Augsburg.
Der Vorsitzende der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs in der Diözese ergänzte, vor rund 20 Jahren habe es einen Paradigmenwechsel gegeben. Seit Amtsantritt des aktuellen Bischofs Bertram Meier 2020 habe man gar kein unangemessenes Verhalten mehr festgestellt.
"Ohne Wissen des Bischofs" verfasst
Paul äußerte sich bei einer Pressekonferenz im Augsburger Haus Petrus Canisius gegenüber dem Dom. Dabei stellte Paul eine von seiner Kommission erarbeitete Missbrauchsstudie vor. Diese werde in Kürze auf der Internetseite veröffentlicht und sei "ohne Wissen und Wollen des Bischofs" verfasst worden. Das Bistum habe die Arbeit gleichwohl problemlos unterstützt, unter anderem mit Akten aus seinem Geheimarchiv.
Gegenstand der Untersuchung war laut Kommission eine "vertiefte Auswertung des der bundesweiten MHG-Studie zugrundeliegenden Datenbestandes für das Bistum Augsburg unter besonderer Berücksichtigung der Verantwortlichkeiten". In einem Anhang werden die im Bistum Augsburg nach Redaktionsschluss der MHG-Studie, also ab Mai 2017, bekannt gewordenen Fälle sexualisierter Gewalt durch Kleriker dargestellt. Darin ist die Rede von 83 Betroffenen. Davon seien noch 58 Meldungen auszuwerten, da einige Fälle und Beschuldigte schon bekannt gewesen seien. 37 Kleriker seien bisher nicht als Beschuldigte geführt worden.
Empfehlungen für das Bistum
Paul empfahl dem Bistum als Konsequenz aus der Studie eine Stärkung der Missbrauchsprävention, missbrauchssensible Aus- und Fortbildungen für Kleriker sowie die datenschutzkonforme Veröffentlichung neu bekannt werdender Fälle.
Bischof Bertram Meier nahm die Studie entgegen und dankte der Kommission für ihre Arbeit. Er betonte, das Leid Missbrauchsbetroffener könne durch nichts behoben werden. Missbrauch sei ein Dauerthema. "Da dürfen wir uns nicht zur Ruhe setzen."
In einem Statement zur Veröffentlichung und mit Blick auf die Entwicklung der Aufarbeitung sexueller Gewalt in der Kirche erklärte Meier, auch wenn er in unterschiedlichen Kontexten sehr intensiv mit den Schicksalen von sexualisierter Gewalt betroffener Menschen und dem Versagen Verantwortlicher in unserer Kirche befasst worden sei, bleibe das damit verbundene Entsetzen.
In den vergangenen 15 Jahren habe sich im Umgang mit sexualisierter Gewalt in der Katholischen Kirche viel getan, so der Augsburger Bischof. "Schwerpunkte waren sicherlich Anerkennung des erlittenen Leids, Prävention und Aufarbeitung. Aber auch die Etablierung von Melderoutinen und Verfahrensweisen, die sowohl eine gesicherte strafrechtliche wie auch kirchenrechtliche Bearbeitung der gemeldeten Fälle miteinschließen, sind sehr hilfreich. Und doch sind wir noch immer auf dem Weg und sicher noch nicht am Ziel," so der Augsburger Bischof.
Wofür steht MHG?
Die MHG-Studie ist ein 2018 veröffentlichtes Forschungsprojekt, das die Deutsche Bischofskonferenz in Auftrag gegeben hatte, um das Ausmaß des sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche in Deutschland zu ermitteln. Das Kürzel MHG steht für die Standorte der Forschungsinstitute in Mannheim, Heidelberg und Gießen. Mehr als 38.000 Personalakten von Klerikern aus den Jahren 1946 bis 2014 wurden dabei überprüft. Den 1.670 potenziellen und tatsächlichen Tätern stehen mindestens 3.677 Kinder und Jugendliche gegenüber, die von sexuellem Missbrauch betroffen waren.