Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche weitet sich aus

Warten auf Stellungnahme

Der Missbrauchs-Skandal in der katholischen Kirche zieht immer größere Kreise. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger fordert rasches Handeln und einen Runden Tisch. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, will auf der Frühjahrs-Vollversammlung am Montag erstmals öffentlich Stellung nehmen. Inzwischen sind neben dem Jesuitenorden weitere katholische Einrichtungen mit Vorwürfen konfrontiert.

 (DR)

Leutheusser-Schnarrenberger schlug im Gespräch mit den Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" Ombudsleute und einen Runden Tisch aus Staats-, Kirchen- und Opfervertretern vor: "Ich erwarte von der katholischen Kirche konkrete Festlegungen, welche Maßnahmen für eine lückenlose Aufklärung ergriffen werden." Zugleich übte sie Kritik am Augsburger Bischof Walter Mixa, der die "sogenannte sexuelle Revolution" mit verantwortlich für den Missbrauch gemacht hatte. Es sei "wenig hilfreich, wenn sich einige Verantwortliche wie Bischof Mixa hinter polemischen Ausflüchten verstecken, statt zur Sachaufklärung beizutragen", sagte die Bundesjustizministerin.

Reformen bei der Ausbildung der Geistlichen
Der Hamburger Erzbischof Werner Thissen forderte Reformen bei der Ausbildung der Geistlichen. Der Umgang mit Sexualität müsse dabei noch intensiver als bisher zur Sprache kommen, sagte der 71 Jahre alte Thissen der "Frankfurter Rundschau" (Samstagsausgabe). Auf die Frage, ob es sich bei den Vergehen nur um individuelles Versagen Einzelner handele, sprach Thissen von einem "Strukturproblem".

Mindestens 115 Opfer sollen an Schulen des Jesuitenordens in Deutschland seit den 50er Jahren missbraucht worden sein. Die sexuellen Übergriffe seien nicht nur vereinzelt, sondern systematisch begangen worden, hatte die Missbrauchsbeauftragte des Jesuitenordens, Ursula Raue erklärt. Der Chef der deutschen Jesuiten, Stefan Dartmann, räumte Versagen der früheren Ordensleitung ein und versprach, die weitere Aufklärung zu unterstützen.

Neue Vorwürfe
Mittlerweile werden gegen weitere katholische Einrichtungen Vorwürfe laut. "Der Spiegel" berichtete von zwei ehemaligen Heimen des Männerordens "Salesianer Don Bosco" in Augsburg und Berlin. Ebenfalls betroffen sei ein ehemaliges Kinderheim der Vinzentinerinnen im oberschwäbischen Oggelsbeuren sowie das Maristen-Internat im bayerischen Mindelheim und das frühere Franziskaner-Internat in Großkrotzenburg bei Hanau. Massive Missbrauchsvorwürfe gebe es auch gegen frühere Mitarbeiter des Franz-Sales-Hauses in Essen. Laut "Frankfurter Rundschau"
(Samstagsausgabe) soll es zudem im Sankt Ludwig Kolleg der Franziskaner-Minoritäten Vorfälle gegeben haben.

Die Laienbewegung "Wir sind Kirche" appellierte erneut an die Deutsche Bischofskonferenz, die 2002 beschlossenen "Leitlinien für den Umgang mit sexuellem Missbrauch an Kindern und Jugendlichen durch Kleriker und Kirchenangestellte" grundlegend zu überprüfen. Die Bewegung warnt vor einer Dämonisierung der Täter. Vielmehr müssten die "tieferen, strukturellen Ursachen" in den Blick genommen werden.