Missbrauchsopfer wirft Bistum Verletzung von Datenschutz vor

Keine ausreichende Anonymisierung

Eine von sexuellem Missbrauch betroffene Person hat sich beim Katholischen Datenschutzzentrum in Dortmund erfolgreich über das Bistum Münster beschwert. Das Bistum sieht darin ein grundsätzliches Dilemma für die Aufarbeitung.

 St.-Paulus-Dom in Münster / ©  Friso Gentsch (dpa)
St.-Paulus-Dom in Münster / © Friso Gentsch ( dpa )

Die Diözese stellte nach Ansicht der Person Akten zur Anerkennung des Leids ohne ausreichende datenschutzrechtliche Anonymisierung Wissenschaftlern für eine Missbrauchsstudie zur Verfügung.

Schilderungen hätten geschwärzt werden müssen

Zur Erstellung der Studie über den sexuellen Missbrauch im Bistum Münster hatte die Diözese eigenen Angaben zufolge entsprechende Akten – auch die zur Anerkennung des Leids – den Wissenschaftlern in ihren Räumen zugänglich gemacht.

Dabei seien die personenbezogenen Daten der betroffenen Personen wie Name, Anschrift, Kontodaten und alle sonstigen personenbezogenen Hinweise geschwärzt worden. Nach Einschätzung des Datenschutzzentrums hätten aber auch die individuellen Schilderungen der betroffenen Person um die eigentlichen Taten geschwärzt werden müssen.

Diese habe durch die Presseveröffentlichungen im Nachgang der Studie eine Retraumatisierung erfahren, hieß es.

Begünstigt Schwärzung Vertuschung?

Der Interventionsbeauftragte des Bistums, Peter Frings, bedauerte die Retrauamatisierung und Verletzung des Persönlichkeitsrechts nach Einschätzung des KDSZ. Zugleich führte er aus, dass eine umfänglichere Schwärzung dazu geführt hätte, "dass die Wissenschaftler den sexuellen Missbrauch im Bistum Münster nicht so gründlich hätten aufarbeiten können".

Wenn die Position des KDSZ der Maßstab oder der datenschutzrechtliche Rahmen für Aufarbeitung sei, werde der Kirche schnell wieder Vertuschung vorgeworfen.

Zugang zu Akten vorläufig gestoppt

Laut Bistum wurde das Vorgehen im Zusammenhang mit der Studie im Beirat des Forschungsprojektes, dem auch mehrere Betroffene angehören, intensiv beraten.

Im Anschluss hätten sich Bistum und Wissenschaftler im Sinne einer größtmöglichen Transparenz für das jetzt vom KDSZ kritisierte Vorgehen ausgesprochen. Alternative Wege – etwa eine Einwilligungserklärung von Betroffenen – seien erwogen, aber als nicht zielführend angesehen worden. Zudem sei befürchtet worden, auch ein solches Vorgehen könne retraumatisierend sein.

Nun müsse die von der KDSZ informierte Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit NRW den Vorgang prüfen, so das Bistum. Für das Folgeprojekt der Studie habe die Diözese zunächst einmal den Zugang zu den Akten gestoppt.

Studie: Flächendeckender Missbrauch im Bistum Münster

Die Zahl der beschuldigten Priester und Missbrauchsopfer im Bistum Münster ist nach einer Studie der Universität Münster deutlich höher als bekannt. Laut der über zwei Jahre dauernden Forschungsarbeit eines fünfköpfigen Teams gab es von 1945 bis 2020 fast 200 Kleriker und bekannte 610 minderjährige Opfer von sexuellem Missbrauch. Damit sind 4,17 Prozent der Priester betroffen. Die Dunkelziffer ist erheblich höher. Die Forscher gehen von 5000 bis 6000 Opfern aus.

 Studie zu Macht und sexuellem Missbrauch in Münster
 / © Lars Berg (KNA)
Studie zu Macht und sexuellem Missbrauch in Münster / © Lars Berg ( KNA )
Quelle:
KNA