Missbrauchsfälle in katholischer Kirche

Schmerzhafte Bekenntnisse

Die Missbrauchsvorwürfe gegen die katholische Kirche und ihre Einrichtungen reißen nicht ab. Ein Sonderermittler des Klosters Ettal berichtet, es hätten sich rund 100 Opfer sexueller und gewalttätiger Übergriffe an ihn gewandt. Das Bistum Regensburg bestätigte zwei Verdachtsfälle in den Reihen des Knabenchors "Regensburger Domspatzen". Der Vatika nimmt die neuesten Erkenntnisse sehr erst.

 (DR)

Der Vatikan vertraut auf «transparente Untersuchungen». Der Heilige Stuhl werde sich nicht in die Aufklärung einschalten, sagte ein zuständiger Vatikanmitarbeiter der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) am Freitag.

Der Heilige Stuhl nehme die Pädophilievorwürfe «sehr ernst», sagte der Vatikanmitarbeiter. Dies gelte für Deutschland ebenso wie für ähnliche Vorgänge etwa in Irland oder den USA. Der Bitte des Klosters Ettal um eine Visitation will der Vatikan nach internen Informationen entsprechen. Es gebe allerdings noch keine offizielle Antwort, weil das Gesuch noch auf dem Geschäftsweg sei, hieß es in Kurienkreisen.

Ermittler: Systematisch und brutal
«Deutlich mehr als zehn» geistliche Lehrkräfte aus dem Ettaler Internat hätten sich als «systematisch und brutal prügelnde Lehrkräfte» entpuppt, sagte der Sonderermittler Thomas Pfister am Freitag. Ermöglicht habe dies ein Klima «hermetischen Schweigens und Wegsehens». Die Taten seien allerdings alle verjährt, so der Münchner Rechtsanwalt. Auch ein Mönch habe ihm anvertraut, dass er sexuell missbraucht worden sei.

Auch heute soll es Pfister zufolge Fälle von Misshandlungen geben. Der auf der Pressekonferenz anwesende Schulleiter Wolf Rall sagte, dass es heutzutage nur noch «leichte Kopfnüsse» gebe. Pfister widersprach dieser Aussage vehement. Kinder hätten sich weinend an ihn gewandt und ihm zu verstehen gegeben, dass es sich um mehr als nur «leichte Kopfnüsse» handelte, so der Sonderermittler. Von Rall selbst habe er erfahren, dass die Versuche, verdächtige Patres von den unteren Jahrgangsstufen fernzuhalten, missglückt seien.

Regensburg: Umfassende Aufklärung angestrebt
Das Bistum Regensburg bemüht sich derzeit, mehr Details zu den Verdachtsfällen im Chor in Erfahrung zu bringen. Die Kirche strebe eine umfassende Aufklärung sowie eine straf- und kirchenrechtliche Verfolgung der Täter an, sagte ein Bistumssprecher. Er berichtete auch vom Fall eines Geistlichen, der vor Jahrzehnten wegen «unsittlicher Handlungen» an zwei Schützlingen zu einer Haftstrafe verurteilt worden sei. Der Beschuldigte hatte als Lehrer am Musikgymnasium der Domspatzen gearbeitet.

Die Missbrauchsaffäre bei den Domspatzen ist auch deshalb brisant, weil der Bruder von Papst Benedikt XVI., Georg Ratzinger, von 1964 bis 1994 Leiter des Chores war. Ratzinger sagte allerdings am Freitag, ihm seien keine Missbrauchsfälle bekannt. In einem Interview mit dem Bayerischen Rundfunk wollte er keine weitere Stellung beziehen, sondern verwies auf die Diözese Regensburg.

Altötting: Erste Konsequenzen
Auch in Altötting sorgt ein Missbrauchsskandal für Unruhe. Dort trat am Freitag der Wallfahrtskustos Pater Felix Kraus zurück. Er zog damit Konsequenzen aus Vorfällen im Studienseminar Burghausen. Er übernehme «die moralische Verantwortung, weil ich nach Bekanntwerden der Missbrauchsfälle in Burghausen diese damals nicht zur Anzeige gebracht habe», so Kraus laut einer Pressemitteilung der bayerischen Kapuziner.

Nach der Absetzung des wegen Missbrauchs beschuldigten Paters hatte Kraus im Jahr 1985 von diesem die Leitung des Studienseminars in Burghausen übernommen. Erst sechs Jahre später seien die Vergehen polizeilich gemeldet worden, hieß es. Aus Gründen der Verjährung habe allerdings keine Strafverfolgung mehr erfolgen können.