Aus freiwilligen kirchlichen Anerkennungsleistungen hatte Fesselmann bereits 45.000 Euro erhalten. Mit diesem Betrag sei sein Anspruch erfüllt, entschied das Gericht am Freitag in Essen. Der Kläger hatte mindestens 300.000 Euro gefordert. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Grundsätzlich bestätigte die 16. Zivilkammer des Landgerichts die Amtshaftung der Diözese für die Taten des Priesters H., der den Kläger 1979 sexuell missbraucht hatte. Der damalige Kaplan sei im Rahmen kirchlicher Aufgaben tätig geworden. Dies gelte auch dafür, dass H. den Kläger durch Ausnutzen seiner Position zu sich nach Hause gelockt habe. Das Gericht sah die Schilderungen Fesselmanns als glaubwürdig an, wonach der Priester den damals Elfjährigen mit Alkohol gefügig gemacht und zum Oralverkehr überredet habe.
Aussagen des Täters unglaubwürdig
Die abweichenden Angaben des als Zeugen vernommenen Täters bezeichnete das Gericht als nicht glaubwürdig. H. hatte zugegeben, sich und den Jungen entkleidet und ihn im Schritt berührt zu haben. An weitere Handlungen könne er sich nicht erinnern.
Aus der Tat ergibt sich laut Gericht allerdings kein Anspruch auf Zahlung von 300.000 Euro. Die bereits geleistete kirchliche Entschädigung sei angemessen. Der Betrag von 45.000 Euro entspreche vergleichbaren Entscheidungen anderer Gerichte. Das gelte auch, wenn man zugunsten des Klägers die aus der Tat entstandenen psychischen Folgen miteinbeziehe.
Fesselmann hatte angegeben, wegen psychischer Probleme über Jahre berufsunfähig gewesen zu sein. Außerdem habe er in der Folge des Missbrauchs ein Alkoholproblem und Angstzustände entwickelt.
Von Tätigkeit abberufen
Der Fall Fesselmann hatte bundesweit für Aufsehen gesorgt. Insgesamt verging sich der frühere Geistliche H. an mindestens vier Orten in Nordrhein-Westfalen und Oberbayern an Minderjährigen. Nach mehrfachen Vorwürfen war er 1980 aus dem Bistum Essen in das Erzbistum München und Freising versetzt worden - nach seiner eigenen Aussage mit der Maßgabe, sich einer Therapie zu unterziehen. Damals war Joseph Ratzinger, der spätere Papst Benedikt XVI., Erzbischof in München.
Trotz gerichtlicher Verurteilung und eines Gutachtens, das vor der Arbeit mit Kindern warnte, wurde H. erneut mit der Gemeindeseelsorge beauftragt. Erst 2010 wurde er von dieser Tätigkeit abberufen. Er darf seinem Beruf nicht mehr nachgehen und sich nicht mehr Pfarrer nennen. Seit 2020 lebt er wieder im Bistum Essen.
Im Fall H. ist eine weitere Schmerzensgeldklage vor dem Landgericht Traunstein gegen das Erzbistum München und Freising anhängig. Das Landgericht Köln hatte im vergangenen Jahr einem Mann, der in seiner Zeit als Messdiener missbraucht wurde, das bislang höchste Schmerzensgeld für einen Betroffenen im kirchlichen Raum von 300.000 Euro zugesprochen.
Bistum Essen sieht Urteil zu Schmerzensgeld als Bestätigung
Das Landgericht Essen hat am Freitag die Klage eines Missbrauchsbetroffenen gegen das Bistum Essen auf 300.000 Euro Schmerzensgeld abgewiesen. Begründung des Gerichts war unter anderem, dass zuvor bereits freiwillig gezahlte kirchliche Anerkennungsleistungen in Höhe von 45.000 Euro ausreichend seien. Das Bistum sieht das Urteil als Bestätigung für kirchliche Entschädigungsverfahren in Missbrauchsfällen.
Wie der Verwaltungschef der Diözese, Generalvikar Klaus Pfeffer, erklärte, ermöglicht es das kirchliche Verfahren zur Anerkennung des Leids den Betroffenen, ohne juristische Beweispflicht finanzielle Leistungen zu erhalten. Die Unabhängige Kommission für Anerkennungsleistungen, die über die Höhe der Zahlungen befindet, habe dabei den Anspruch, sich an gerichtlichen Entscheidungen zu orientieren. "Dies ist offenbar nach Auffassung des Landgerichts hier der Fall gewesen", so Pfeffer.
Der Fall Fesselmann
Im vorliegenden Fall hatte der Betroffene Wilfried Fesselmann geklagt. Er war im Jahr 1979 vom ehemaligen Priester H. sexuell missbraucht worden. Das Gericht sah die Schilderungen Fesselmanns als glaubwürdig an, wonach der Priester den damals Elfjährigen mit Alkohol gefügig gemacht und zum Oralverkehr gedrängt habe.
Im Urteil hatte das Landgericht entschieden, das Bistum müsse für die Taten des H. haften. Gleichzeitig wurde die Klage auf 300.000 Euro abgewiesen, da die bereits erbrachten Zahlungen ausreichten, auch mit Block auf psychische Spätfolgen.
Bistum erkennt großes Leid Betroffener an
Auch das Bistum sehe die Schilderungen Fesselmanns als glaubwürdig an. "Es bleibt unstrittig, dass dem Betroffenen als Kind großes Leid zugefügt wurde", sagte Pfeffer. Im Verfahren habe das Bistum auf die Einrede der Verjährung der lange zurückliegenden Tat verzichtet und den Täter selbst als Zeugen benannt. Es sei wichtig gewesen, dass H. sich vor Gericht stellen musste, um erstmals öffentlich zuzugeben, Kindern und Jugendlichen Leid zugefügt zu haben. "Sein Auftritt vor Gericht war gleichwohl beschämend und ein erschreckendes Beispiel für das ganze Ausmaß der sexualisierten Gewalt, das Amtsträger der katholischen Kirche Kindern und Jugendlichen zugefügt haben", so Pfeffer.