Misereor zur EU-Ratifizierung des Klimaabkommens

"Noch ein weiter Weg"

Kann die Erderwärmung gestoppt werden? Die EU hat mit der Ratifizierung des Pariser Klimaabkommens den Weg dahin weiter geebnet. Ganz große Freude kommt bei der Klimaexpertin Katrin Schröder aber deshalb noch nicht auf.

Die Sonne brennt / © Arno Burgi (dpa)
Die Sonne brennt / © Arno Burgi ( dpa )

domradio.de: Im Vorfeld der Klimakonferenz von Paris hatten die beiden großen Kirchen eine mehrwöchige Sternwanderung nach Paris organisiert, um den Staatsoberhäuptern ihre Forderungen und Klimaziele zu übergeben. Sie waren an der Organisation beteiligt. Nun hat das Europäische Parlament das Pariser Abkommen ratifiziert. Ist das gerade ein guter Moment für das Weltklima, oder reicht Ihnen das nicht, was da jetzt von der Europäischen Union auf den Weg gebracht wurde?

Katrin Schröder (Klimaexpertin bei Misereor und Mitgestalterin der Aktion Klimapilger): Eine unserer zentralen Forderungen war ja, dass wir ein rechtlich verbindliches Klimaabkommen bekommen. Dafür ist es ganz toll, dass es schon nach zehn Monaten in Kraft treten kann und die EU gesagt hat, sie ratifiziere das jetzt. Es war ganz wichtig, dass vor der nächsten Klimakonferenz eine Entscheidung gefallen ist. Ich glaube, das wird auch alle Menschen, die mitgepilgert sind, erreichen und freuen.

domradio.de: Das ist also ein guter Tag für alle ungefähr 7.000 Menschen, die aus Deutschland und Skandinavien damals mit Ihnen gepilgert sind?

Schröder: Das auf jeden Fall. Wir haben allerdings auch gesagt, dass es ganz wichtig ist, dass aus diesem Abkommen etwas entsteht und etwas Konkretes daraus erwächst. Das Abkommen ist so aufgebaut, dass es dann gut umgesetzt wird, wenn alle Staaten, die es unterzeichnet und ratifiziert haben, auch ambitionierten Klimaschutz zu Hause in ihren Ländern umsetzen. Da sehen wir noch einen ganz weiten Weg zu gehen.

domradio.de: Die Klimapilger sind ja mit konkreten Forderungen nach Paris aufgebrochen. Sind die alle umgesetzt worden?

Schröder: Die einzige Forderung, die ich umgesetzt sehe, ist die, dass es ein Abkommen gibt und dass es einen starken Fokus auf Klimagerechtigkeit setzt, auch wenn da die Einzelmechanismen noch nicht so sind, dass wir sagen würden, es sei hundertprozentig erreicht. Die zweite Forderung, die wir ganz wichtig fanden, war, gerechte, ehrgeizige und dauerhafte Klimaschutzmaßnahmen zu erzielen. Da sehen wir noch großen Handlungsbedarf. Es wird dabei auch auf die Menschen eine noch wichtigere Funktion zukommen, die sich mit uns auf der ganzen Welt für Klimagerechtigkeit auf den Weg gemacht haben. Gerade in Deutschland sind Fachpolitikerinnen und Fachpolitiker damit beschäftigt, die mittelfristige Klimastrategie für Deutschland zu beraten. Da sehen wir noch ganz, ganz viel zu tun, denn die ist gar nicht so ambitioniert, wie sie sein müsste.

domradio.de: Was muss man denn da noch tun? Welche Forderungen und Anregungen müssten dringend noch berücksichtigt werden?

Schröder: Wenn wir ernsthaft sagen, dass das Klimaabkommen uns dazu zwingt, die globale Erderwärmung unter zwei Grad Celsius zu halten und es eigentlich sogar unter anderthalb Grad sein müsste, um noch mehr Sicherheit für Menschen in jetzt schon vom Klimawandel betroffenen Regionen zu bieten, dann müssen wir in Deutschland ein Kohleausstiegsgesetz verabschieden. Dann müssen wir klarmachen, dass unsere Energieproduktion so schnell wie möglich ohne fossile Energieträger auskommt. Weiter müssen wir feststellen und das auch gesetzlich sichern, dass unser Verkehrssektor anders organisiert werden muss. Bei diesen Punkten sehen wir ganz konkret an der politischen Maßnahme "Klimaschutzplan 2050", dass Deutschland noch nicht alles verstanden hat.

domradio.de: Inwieweit ist denn da auch der einzelne in der Pflicht?

Schröder: Sicherlich kann jeder einzelne Bürger, jede einzelne Bürgerin in ihrem persönlichen Umfeld ganz viel umsetzen. Man kann natürlich auf die eigene Ernährung schauen, wie man verreist und woher der Strom kommt. Aber wir brauchen auch gute Rahmenbedingungen dafür. Wir müssen die Möglichkeit haben, zwischen Verkehrsmitteln zu wählen. Das ist für Menschen, die im ländlichen Bereich wohnen, gar nicht so einfach. Deshalb brauchen wir bessere politische Maßnahmen.

domradio.de: Der Einsatz der "Klimapilger" ist jetzt erst einmal beendet. Lehnt man sich zurück und beobachtet die Entwicklung, oder sind neue Aktionen geplant?

Schröder: Ich nehme zunächst einmal wahr, dass die Organisationen, die beispielsweise schon in der Klimaallianz aktiv sind, wie es Misereor tut, noch einmal besonders engagiert sind. Die schauen jetzt auf die Umsetzung. Dann kriegen wir auch mit, dass viele Menschen, die vorher vielleicht noch gar nicht so viel mit dem Thema Klimagerechtigkeit zu tun hatten, jetzt Lust bekommen haben, sich dafür einzusetzen. Im Hinblick auf das nächste Jahr und den Kirchentag anlässlich des Reformationsjubiläums habe ich schon gehört, dass viele Menschen gesagt haben, man bräuchte noch einmal einen Pilgerweg: von Kohlerevier zu Kohlerevier, um darauf aufmerksam zu machen, was wir hier zuhause tun müssen. Das finde ich ganz toll.

Das Interview führte Uta Vorbrodt.


Quelle:
DR