Misereor sieht Ziele der UN-Ozeankonferenz als unzureichend

Ist es "fünf vor zwölf"?

Aktuell tagt die UN-Ozeankonferenz zum Zustand der Weltmeere. Misereor fehlt es an verbindlichen Zusagen und Kontrollen. Wenn die Weltmeere in Gefahr sind, seien es auch die Menschenrechte, betont Referent Klaus Schilder im Interview.

Freiwillige reinigen die Meeresküste auf Mauritius / © ohrim (shutterstock)
Freiwillige reinigen die Meeresküste auf Mauritius / © ohrim ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Klimawandel, Überfischung, Verschmutzung. Den Meeren geht es schlecht. Dabei haben die Meere überlebenswichtige Funktionen für uns Menschen und die ganze Umwelt. Wie können die Weltmeere besser geschützt und möglichst nachhaltig genutzt werden? Darum geht es bei der Ozeankonferenz der Vereinten Nationen in Lissabon. Mit Blick auf die UN-Ozeankonferenz liest man in diesen Tagen oft, es sei "fünf vor zwölf". Wie besorgt ist Misereor über den Zustand der Meere? 

Klaus Schilder / © N.N. (MISEREOR)

Klaus Schilder (Referent für nachhaltiges Wirtschaften bei Misereor): Diese Einschätzung teilen wir leider. Neben Überfischung und dem Temperaturanstieg der Meere sind die Weltmeere Lebensgrundlage für viele Menschen, die an und von ihren Ressourcen leben. Der Verlust der Kleinfischerei führt beispielsweise in vielen Ländern dazu, dass in küstennahen Regionen die Nahrungssicherheit nicht mehr gewährleistet werden kann. Fischerei war auch eines der Themen, das bei der Konferenz in Lissabon eine große Rolle gespielt hat. 

DOMRADIO.DE: Misereor ist in vielen Teilen der Welt mit Entwicklungsprojekten aktiv. Die Gefährdung der Weltmeere bedeutet auch die Gefährdung von Menschenrechten, hat Misereor-Chef Pirmin Spiegel gesagt. Was genau bedeutet das? 

Schilder: Das ist richtig. Ich hatte es am Beispiel der Kleinfischerei schon angeführt. Wenn Küstenfischer innerhalb ihrer traditionellen Fischgründe nicht mehr genug Fische fangen können – einerseits, weil es zur Überfischung durch industrielle Fischerei kommt, andererseits, weil der Klimawandel und die zunehmende Vermüllung der Meere die Fischgründe schädigt – dann ist das Recht auf Nahrung nicht mehr gewährleistet.

Das ist ein Menschenrecht. Alle Staaten sind in Lissabon aufgefordert, entschiedene Schritte zum Schutz der Kleinfischerei zu tun.

Fischerei in China - die Überfischung der Meere nimmt zu / © Song Weiwei (dpa)
Fischerei in China - die Überfischung der Meere nimmt zu / © Song Weiwei ( dpa )

Es gibt aber auch noch ein anderes Beispiel. Das Thema Tiefseebergbau hat in Lissabon auf und am Rande der Konferenz eine große Rolle gespielt. Tiefseebergbau findet auf den Weltmeeren in großer Tiefe statt. Es kann aber auch in küstennahen Gewässern stattfinden. Dort werden durch Lärmverschmutzung, durch das Aufwirbeln von Sedimenten Fischgründe geschädigt und so die Küstenfischerei und damit die Menschenrechte gefährdet. 

Klaus Schilder, Referent für nachhaltiges Wirtschaften beim Entwicklungswerk Misereor

"Wenn Küstenfischer nicht mehr genug Fische fangen können innerhalb ihrer traditionellen Fischgründe, (...) dann ist das Recht auf Nahrung nicht mehr gewährleistet."

DOMRADIO.DE: Meere haben auch die überlebenswichtige Funktion als Klimaregulator. Glauben Sie, dass dies der Menschheit schon bewusst genug ist? 

Schilder: Es wurde viel über die Verbindung des Meeresschutzes und des Schutzes des Weltklimas gesprochen. Wir sind der Auffassung, dass die Vertragsstaaten sich an diesen wie an vielen anderen Punkten ihrer Verantwortung entziehen. Denn die Konferenz endet mit einer Vielzahl von unverbindlichen Maßnahmen, die die Staaten freiwillig präsentiert haben. Das ist natürlich ein Schritt in die richtige Richtung.

Aber es gibt weder einen Bericht über die Erreichung der Ziele, noch wird es Kontrollverfahren für die Umsetzung der in der Abschlusserklärung enthaltenen Ziele geben. Das ist viel zu wenig. Angesichts der Dringlichkeit bei der Umsetzung des sogenannten "SDG 14" (Ziel 14 für nachhaltige Entwicklung befasst sich mit dem "Leben unter Wasser" und ist eines der 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung, die 2015 von den Vereinten Nationen festgelegt wurden, Anm. d. Red.) müssten wir einen viel ambitionierteren Meeresschutz sehen.

Plastik im Meer - auch eine Gefahr für die Meeresbewohner / © MIKE NELSON (dpa)
Plastik im Meer - auch eine Gefahr für die Meeresbewohner / © MIKE NELSON ( dpa )

Es gibt lediglich Teilbereiche, beispielsweise bei der Aushandlung eines internationalen Abkommens gegen Plastikmüll, wo die Weltgemeinschaft jetzt mit einem Abkommen vorangehen will, ebenso bei der Ausweisung von Schutzgebieten auf der Hohen See. Auch dort wird es Verhandlungen über ein solches Abkommen geben. 

Klaus Schilder, Referent bei Misereor

"Angesichts der Dringlichkeit müssten wir einen viel ambitionierteren Meeresschutz sehen."

DOMRADIO.DE: An diesem Freitag findet noch findet die Meeresfonferenz der Vereinten Nationen statt, wo über einen möglichen Schutz der Weltmeere beraten wird. Kann man das Ruder noch herumreißen? Was für Maßnahmen sind in Ihren Augen notwendig? 

Schilder: Die Konferenz war sehr dynamisch und ich nehme noch mal das Thema Tiefseebergbau auf, denn dort hat sich sehr viel bewegt. Bereits am ersten Konferenztag hat sich eine Allianz pazifischer Inselstaaten unter Führung von Palau und Fidschi gebildet, die sich für ein Moratorium gegen Tiefseebergbau ausspricht, weil man eben nicht weiß, wie die ökologischen Auswirkungen auf dieses fragile Ökosystem, das kaum erforscht ist, sein werden. Dem hat sich im Laufe der Konferenz eine Internationale Parlamentarier-Initiative angeschlossen.

Ganz überraschend äußerte auch gestern der französische Präsident Emmanuel Macron am Rande der Konferenz, dass es doch einen Rechtsrahmen zum Stopp des Tiefseebergbaus aus genau diesen Gründen geben würde. Das sind Zeichen dafür, dass von dieser Konferenz auch Signale zum Schutz der Weltmeere ausgehen können. 

Das Interview führte Julia Reck.

Misereor kritisiert Ergebnisse von UN-Ozeankonferenz

Misereor hat die Ergebnisse der UN-Ozeankonferenz als nach vorne weisend aber unzureichend kritisiert. Das Treffen, das am heutigen Freitag in Lissabon endet, habe hauptsächlich aus einer "Aneinanderreihung von unverbindlichen Zusagen" bestanden, sagte der Experte des Hilfswerks, Klaus Schilder, der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). "Der Dringlichkeit einer raschen Verbesserung beim Meeresschutz wurde nicht ausreichend Rechnung getragen", fasste er zusammen.

UN-Ozeankonferenz in Lissabon / © Armando Franca (dpa)
UN-Ozeankonferenz in Lissabon / © Armando Franca ( dpa )
Quelle:
DR
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