Misereor-Hilfen für Franziskaner-Hospital im Westen Aleppos

"Die Situation ist katastrophal"

Nach der gescheiterten Waffenruhe hat sich die Lage in Aleppo verschlechtert. Beobachter sprechen von "Verbrechen gegen die Menschlichkeit". Die Syrien-Referentin des Hilfswerks Misereor, Astrid Meyer, sieht aber noch Zeichen der Hoffnung.

Zerstörungen in Aleppo / © Karin Leukefeld (KNA)
Zerstörungen in Aleppo / © Karin Leukefeld ( KNA )

domradio.de: Informationen aus einer Stadt unter Bombenbeschuss zu bekommen - das ist sicher nicht ganz einfach. Was wissen Sie sicher darüber, wie es den Menschen in Aleppo jetzt geht?

Astrid Meyer (Misereor-Regionalreferentin für den Nahen Osten): Ich kann bestätigen, was in den Medien berichtet wird: Die Situation vor Ort ist katastrophal. Wenn man schon meinte, dass die Situation denkbar schwierig ist, dann hat sie sich jetzt noch weiter zugespitzt. Gleichzeitig muss man sehen, dass die Informationslage sehr chaotisch bleibt. Der Medienfokus richtet den Blick jetzt vor allem auf das sehr umkämpfte Ost-Aleppo. Wir sollten aber nicht vergessen, dass es auch andernorts in Syrien weiter zu Kämpfen kommt und dass die Situation insgesamt nicht nur schwierig bleibt, sondern jetzt noch festgefahrener ist.  

domradio.de: Die Menschen in der Stadt Aleppo harren schon seit langem ohne ausreichend Nahrung aus. Jetzt heißt es, dass zwei Millionen Menschen keinen Zugang mehr zu fließendem Wasser haben. Kann denen überhaupt irgendwie geholfen werden, solange Assad weiter Luftangriffe auf die Stadt fliegen lässt und jetzt auch noch Bodentruppen einsetzt?

Astrid Meyer: Für den Ostteil der Stadt ist das nahezu ausweglos, das muss man so sagen, weil die Leute dort so eingekesselt sind. Wir von Misereor haben im Westen der Stadt mit den Franziskanern eine sehr gute Zusammenarbeit. Das dortige Krankenhaus verzeichnet einen Anstieg von 20 bis 30 Prozent Patienten, die es aus dem Ost- in den vom Assad-Regime kontrollierten Westteil geschafft haben, um sich dort behandeln zu lassen. 

domradio.de: Das heißt, es gibt Fluchtbewegungen von Osten nach Westen, wo auch Misereor aktiv ist, unter anderem mit einem Krankenhaus.

Astrid Meyer: Richtig. Wir unterstützen dort ein Franziskaner-Krankenhaus mit dem Namen "Al-Rajaa", eines der wenigen überhaupt noch funktionierenden Krankenhäuser der Stadt.  "Al-Rajaa" heißt übrigens Hoffnung. - Das ist eine sehr gute Zusammenarbeit, die wir bereits seit mehreren Jahren mit guten Erfahrungen fördern. Wir haben schon in der Vergangenheit unsere Hilfe aufgestockt und planen das auch wieder – um den gestiegenem Bedarf an Anästhesie und auch medizinischen Gerät zu entsprechen.

domradio.de: Unterdessen ist  in der vergangenen Woche auch ein Hilfskonvoi angegriffen worden, es gab dabei viele Tote. Hat dieser Vorfall Auswirkungen auch auf Ihre Arbeit vor Ort?

Astrid Meyer: Das können wir nicht ausschließen. Ich habe auch über diesen Vorfall mit unseren Partnern vor Ort gesprochen. Wenn wir bei dem Beispiel bleiben: Wir sind im Westteil der Stadt, der wird vom Assad-Regime gehalten und es ist praktisch auch so, dass die Zulieferer, über die das Krankenhaus Materialien und Medikamente bezieht, sich in vom Regime kontrollierten Stadtteilen befinden, so dass sie im Moment ihre Zulieferung gewährleisten können. Trotzdem können wir nicht ausschließen, dass auch da einmal ein Transport zu Schaden kommen wird; einfach weil die Informationslage und die militärischen Bewegungen so unübersichtlich sind. 

domradio.de: Sie haben erwähnt, dass das Hospital, dass Sie unterstützen, "Hoffnung" heißt. Gibt es etwas, mit dem man den Menschen Hoffnung machen kann?

Astrid Meyer: Das ist eine schwierige und gleichzeitig zentrale Frage. Ich, die ich in unmittelbarem Kontakt mit unseren Partnern stehe, bin beeindruckt, wie Menschen, wo immer es ihnen möglich ist, die Initiative ergreifen, sich für die anderen Notleidenden einzusetzen. Zum Beispiel sind in dem Krankenhaus und auch in den Sozialzentren mit Soforthilfe der Franziskaner viele ehrenamtliche Helfer aktiv. Ein anderes Beispiel sind natürlich die Weißhelme, über die zuletzt so viel berichtet wurde. Das ist eine Bürgerinitiative, die sich dafür engagiert, unter lebensbedrohlichen Bedingungen Verschüttete aus Trümmern zu bergen, weil das sonst niemand macht. Ich denke so etwas macht Hoffnung.

Das Gespräch führte Uta Vorbrodt.


Quelle:
DR