"Minister sind entwicklungspolitischen Herausforderungen soverän ausgewichen"

"Afrikapolitik der EU ein Desaster"

Zur Halbzeit der deutschen EU-Ratspräsidentschaft hat die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) soeben eine kritische Bilanz der Afrikapolitik der EU gezogen. "Deutschland hat die Chance bislang nicht genutzt, der EU außenpolitisch die Stimme zu geben, die ihrem Einfluss in Afrika entspricht", sagte der GfbV-Afrikareferent Ulrich Delius. "Die EU-Afrikapolitik ist ein Desaster und bleibt weit hinter den Erwartungen zurück, die Bundeskanzlerin Angela Merkel vor Übernahme der Ratspräsidentschaft geweckt hat."

 (DR)

Kritische Bilanz der Afrikapolitik der EU
Europa versage nicht nur in der Darfur-Frage. Auch in Somalia, im Tschad und in der Zentralafrikanischen Republik eskaliere die Gewalt. Doch der EU gelinge es nicht, mit einer Stimme zu sprechen und Friedensbemühungen wirksam zu unterstützen. In Uganda schaue Europa tatenlos zu, wie der Friedensprozess scheitere.

Afrika als Rohstofflager
Der Evangelische Entwicklungsdienst (EED) hat das Treffen der Entwicklungsminister der G-8-Staaten in Berlin als enttäuschend bezeichnet. "Die Minister sind den entwicklungspolitischen Herausforderungen, die sich auf der G-8-Agenda stellen, soverän ausgewichen", erklärte EED-Referent Michael Frein.
Zum Klimaschutz gebe es nur "allgemeine Floskeln". Auch die Äußerungen zu Aids und Afrika blieben unter den Erwartungen.

"In der G-8-Agenda wird Afrika als eine Art Rohstofflager angesehen", kritisierte Frein. Die Industrieländer wollten vor allem ihren Zugang zu den Rohstoffen sichern.

Aids: mehr Geld - strengerer Patentschutz
Zwar begrüßte Frein, dass die sieben wichtigsten Industriestaaten und Russland mehr Geld für den Kampf gegen Aids aufbringen wollen. Zugleich planten die G-8-Staaten aber einen strengeren Patentschutz, der Aids-Medikamente verteuert und die Versorgung der ärmsten Patienten erschwert.

Wieczorek-Zeul: Treffen in Berlin "historisch"
Wieczorek-Zeul würdigte das Treffen der Entwicklungsminister als historisch, da erstmals auch Vertreter der großen Schwellenländer wie China, Indien und Südafrika teilnahmen. Konkrete Beschlüsse wurden in den zwei Tagen nicht gefasst. Die G-8 hätten zeigen wollen, dass sie "kein geschlossener Club" seien, sondern ein gemeinsames Interesse an einer gerechten Gestaltung der Globalisierung verfolgten, so Wieczorek-Zeul weiter. Zu den G-8 gehören die sieben führenden Industriestaaten USA, Kanada, Japan, Großbritannien, Frankreich, Italien und Deutschland sowie Russland.

Aids wird Schwerpunkt in Heiligendamm
Die Entwicklungsministerin erwartet, dass die Finanzierung der Aidsbekämpfung einer der Schwerpunkte auf dem G-8-Gipfel im Juni in Heiligendamm sein wird.
Dabei müsse vor allem die Situation der besonders von der Immunschwächekrankheit betroffenen Frauen im Mittelpunkt stehen, sagte die Ministerin am Dienstag nach einem Treffen der G-8-Entwicklungsminister in Berlin. Auf der informellen Tagung seien auch weitere Schritte im Kampf gegen die Armut debattiert worden.

Investitionen für Afrika
Die Entwicklungsminister der G-8-Staaten sprachen sich demnach für mehr Investitionen in Afrika, eine Stärkung der afrikanischen Regionalorganisationen und Hilfe für mehr Klimaschutz aus. Auch der Aufbau einer Institution zur Vergabe von Mikrokrediten und eine bessere Offenlegung von Finanzströmen in rohstoffreichen Ländern soll vorangebracht werden.

Kritik von Links
Die entwicklungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Heike Hänsel, sprach den G-8 die Kompetenz ab, Lösungen für die Probleme der Entwicklungsländer zu finden. Die G-8-Treffen seien vielmehr "Ausdruck einer Weltordnung", die verantwortlich sei für Armut und die Vernichtung von Entwicklungschancen. Wichtige Entscheidungsprozesse sollten daher bei demokratisierten und gestärkten Vereinten Nationen stattfinden.

G8-Gipfel in Heiligendamm
Vom 6. bis 8. Juni treffen im Ostseebad Heiligendamm die Staats- und Regierungschefs der G-8-Staaten zusammen. Deutschland hat in diesem Jahr den Vorsitz der Ländergruppe inne.