Millionen Menschen werden im Alter dement werden

Alarmierende Zahlen

Fast die Hälfte der Frauen und ein Drittel der Männer in Deutschland müssen sich darauf einstellen, im Alter dement zu werden. Die Zahl altersverwirrter Menschen wird laut einer Studie von heute 1,2 Millionen auf 2,5 Millionen im Jahr 2060 steigen. Damit rollt auch eine Kostenlawine auf die Pflegeversicherung zu.

 (DR)

Das ist das Fazit des am Dienstag veröffentlichten Pflegereport der Krankenkasse Barmer GEK hervor. "Die Zahlen zeichnen ein ungemütliches Szenario", sagte Barmer-GEK-Vorstand Rolf-Ulrich Schlenker. "Demenz ist die zentrale Herausforderung für die Pflege und die Pflegeversicherung." Studienautor Heinz Rothgang wies darauf hin, dass letztlich 58 Prozent der Männer damit rechnen müssen, entweder dement oder pflegebedürftig oder beides zu werden. Bei den Frauen sind es sogar 76 Prozent. "Das geht uns wirklich alle an", sagte Rothgang. "Wir reden über unser aller Zukunft hier."



Quote der Pflegebedürftigkeit steigt

Für die Studie hatten die Wissenschaftler vom Zentrum für Sozialpolitik der Universität Bremen unter anderem die Daten der 2009 verstorbenen Barmer-GEK-Versicherten über 60 Jahre ausgewertet und hochgerechnet. Von ihnen waren 29 Prozent der Männer und 47 Prozent der Frauen zum Zeitpunkt ihres Todes dement. Da die Bevölkerung schrumpft, steigt mit der Gesamtzahl der Demenzkranken auch ihr Anteil: Heute gelten 1,5 Prozent der Menschen in Deutschland als altersverwirrt, in 50 Jahren werden es 3,8 Prozent sein.



Hintergrund ist eine immer längere Lebenserwartung. Je höher das Alter, desto größer die Wahrscheinlichkeit, gebrechlich, vergesslich und verwirrt zu werden. Deshalb steigt nach Darstellung der Wissenschaftler auch die Zahl der Menschen, die vor ihrem Tod Pflege brauchen: 2009 waren es 47 Prozent der Männer und 67 Prozent der Frauen. 2001 hatten die Quoten erst bei 40 und 60 Prozent gelegen. "Die Demenz ist ein Hauptgrund für die Pflegebedürftigkeit", erklärte Rothgang.



Die finanziellen Folgen sind gewaltig: Ein Demenzkranker verursacht nach Rothgangs Darstellung monatlich über 800 Euro mehr Kosten als ein Gleichaltriger, der noch geistig auf der Höhe ist. Davon entfallen 300 Euro auf die Krankenversicherung, der Rest auf die Pflegeversicherung.



"Bei uns ist das Geld sicher"

Rothgang und Schlenker mahnten dringend eine Finanzreform der Pflegeversicherung an, äußerten sich aber skeptisch zu dem von Schwarz-Gelb gewünschten zusätzlichen Kapitalstock. Mit Finanzproblemen der Pflegekassen sei spätestens ab 2013 zu rechnen, sagte Rothgang. Der Aufbau einer Kapitalrücklage helfe kurzfristig nicht.



Stattdessen könnte man beim bisherigen System bleiben und die Beitragssätze steigen lassen, rechnete der Experte vor. Nötig wäre vermutlich ein Beitragssatz von bis zu vier Prozent, anteilig getragen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Heute liegt der Satz bei 1,95 Prozent (2,25 Prozent für Kinderlose).



Die Deutsche Hospiz Stiftung warnte, Deutschland sei auf den starken Anstieg der Pflegebedürftigen nicht vorbereitet. Nötig seien vor allem mehr Pflegepersonal und mehr Geld für Pflege. Die Stiftung schlug vor, die Pflege- und die Krankenversicherung zusammenzulegen, um Verwaltungskosten zu sparen. Die Linke plädierte erneut für eine Bürgerversicherung auch in der Pflege, um die Ressourcen der Privaten Krankenversicherung zu nutzen.