Militärgeneralvikar zu den Bundeswehrreformplänen

"Es gilt, sich immer der Wirklichkeit zu stellen"

Die Bundeswehr marschiert in Richtung Freiwilligenarmee. Verteidigungsminister zu Guttenberg will die Wehrpflicht mit dem kommenden Jahr aussetzen. Militärgeneralvikar Walter Wakenhut im domradio.de-Interview zu den Folgen für die Militärseelsorge.

 (DR)

domradio: Was leistet ein Militärseelsorger in Deutschland?

Walter Wakenhut: Die Militär-Seelsorge in Deutschland leistet zunächst einmal den ganz gewöhnlichen Seelsorgedienst, den jeder andere Pfarrer auch zu leisten hat, also Sakramenten-Spendung und seelsorgerische Beratung. Hinzu kommt der wesentliche Teil, dass der Soldat als Träger einer Waffe, die er auch im Notfall einsetzen muss, besonderen ethischen, moralischen Herausforderungen gestellt ist, die es zu bewältigen gilt und für die er auch entsprechend ausgerüstet werden muss. Wir haben da das bewährte Modell des seelsorgerischen Gespräches und vor allem auch das Instrument des lebenskundigen Unterrichts als eine berufsethische Qualifikation für die Soldaten.



domradio.de: Lebenskundiger Unterricht - so etwas geben Sie dann auch. Wenn die Umstellung von Wehrpflicht auf Freiwilligenarmee nun kommt, inwiefern ändert sich dann auch die Art der Seelsorge?

Walter Wakenhut: Der Soldat hat ja grundsätzlich ein Recht auf Seelsorge, wie das Soldatengesetz es vorschreibt. Das heißt also, nicht nur die Wehrpflichtigen brauchen die Seelsorge, sondern vor allem auch die Zeit- und Berufssoldaten, die ja in ganz anderer Weise gefordert sind als Wehrpflichtige, die jetzt augenblicklich sechs Monate Dienst tun und nur die einfachsten Begriffe des Soldat-Seins lernen. Die Herausforderung für die Militärseelsorge wird jetzt sein, gerade diese Zeit- und Berufssoldaten in ihrem Gewissen so zu schärfen, dass sie immer verantwortlich handeln können, wie es ja das Prinzip der inneren Führung vorsieht.



domradio.de: Das heißt also, mit den Wehrpflichtigen, die nur sechs Monate da sind, haben Sie weniger seelsorgerische Gespräche?

Walter Wakenhut: Die sind natürlich auf eine ganz andere Weise seelsorgerisch zu betreuen. Es sind ja normalerweise junge Leute, die noch Suchende sind, die ihre Lebensorientierung suchen, die die Pfarrer ganz anders beanspruchen als ein Soldat, der im Einsatz ist und notfalls eben seine Waffe einsetzen und auch töten muss.



domradio.de: Bislang wird die Militär-Seelsorge auch vom Staat unterstützt. Könnten Sie sich vorstellen, dass Minister zu Guttenberg mit dieser Umstrukturierung diese Unterstützung jetzt möglicherweise streichen könnte?

Walter Wakenhut: Das kann ich mir nicht vorstellen, denn die Militär-Seelsorge ist der vom Staat gewünschte und von der Kirche geleistete Dienst. Wenn der Staat diesen Wunsch nicht mehr äußern würde - was ich in keiner Weise glaube - dann könnte die Kirche ja auch nichts mehr leisten.



domradio.de: Die Wehrpflicht auszusetzen, das ist jetzt natürlich zwar eine politische Entscheidung und keine kirchliche. Dennoch die Frage an Sie: Was halten Sie von dieser Entscheidung?

Walter Wakenhut: Zunächst ist die Wehrpflicht weder ausgesetzt noch aufgehoben. Es ist eines von fünf Modellen, die der Minister vorgelegt hat. Darüber hat das Parlament zu entscheiden. Die Bundeswehr wird sich, wenn die Wehrpflicht wegfällt, sicher von Grund auf verändern; die Wehrpflichtigen waren sozusagen immer das innovative, das regenerierende Element in dieser Armee. Man muss sich darauf einstellen, dass eben nur Zeit- und Berufssoldaten da sind, die das Soldat-Sein als Beruf auffassen und nicht mehr wie die Wehrpflichtigen, die eine staatsbürgerliche Pflicht für zwölf bzw. 16 bis 18, oder eben jetzt für sechs Monate, erfüllt haben. Das sind andere Vorzeichen, aber denen gilt es sich zu stellen. Und man kann nicht ein Modell dem anderen vorziehen, es gilt, sich immer der Wirklichkeit zu stellen.



domradio.de: Das heißt, möglicherweise könnten Sie Ihr Angebot auch sehr viel mehr spezialisieren und auf ganz spezielle Menschen zuschneiden.

Walter Wakenhut: Das denke ich auch. Der Militärpfarrer wird sicher in der Armee der Zukunft, wenn sie so kommen soll und das Parlament sie so beschließt, noch mehr Spezialist werden.