Ehrenamtler resümiert Sitzung mit Kölner Erzbistumsspitze

"Mich hat das Ganze ratlos zurückgelassen"

Liegt man in den Einschätzungen über den Reformbedarf im Erzbistum Köln wirklich so weit auseinander? Ergebnisse der Online-Sitzung des Diözesanpastoralrates lassen dies vermuten. Cornel Hüsch war bei dem Treffen dabei. Was sagt er dazu?

Blick auf den beleuchteten Kölner Dom in der Abenddämmerung / © fokke baarssen (shutterstock)
Blick auf den beleuchteten Kölner Dom in der Abenddämmerung / © fokke baarssen ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Am Dienstagabend hat Kardinal Woelki in einer Online-Sitzung des Kölner Diözesanpastoralrats unter anderem Stellung zum weiteren Vorgehen bei der Missbrauchsaufarbeitung bezogen. Wie haben Sie das Gespräch und die Atmosphäre dort erlebt?

Cornel Hüsch (Gemeinde St. Pius in Neuss, Mitglied im Kirchensteuerrat): Das war schon eine besondere Onlineveranstaltung, die ich als sehr angespannt und besorgt erlebt habe. Die Verantwortungsträger aus den Vereinen und Verbänden sind ja in den letzten Wochen und Monaten sehr angefeindet worden, haben selbst Fragen gehabt und es war schon eine ganz besondere Atmosphäre, die da in dem Gespräch herrschte.

DOMRADIO.DE: Jetzt hatte man die Gelegenheit, Sachen anzusprechen. Was wollte man denn vom Kardinal wissen und was wollte man ihm unbedingt mitteilen?

Hüsch: Zunächst war auch jemand von der Rechtsanwaltskanzlei Gercke zugegen. Es wurden auch sehr intensive Fragen gestellt und auch von der Rechtsanwältin dargelegt, dass es auch nur eine Meinung in dem Gutachten ist, dass man auch durchaus zu anderen Ergebnissen kommen kann, insbesondere auch zu kirchenstrafrechtlichen Fragen andere Ergebnisse finden kann, die auch von einzelnen Gesprächsteilnehmern angemahnt wurden. Auch insbesondere das Fehlverhalten, Meldungen nicht nach Rom gegeben zu haben, könne man durchaus anders sehen.

Einen wichtigen Punkt in dem Gespräch am Dienstagabend machte allerdings nicht die strafrechtliche Betrachtung, auch nicht die schludrige und schlampige Aktenführung, wie sie festgestellt wurde, oder auch das katastrophale Unwissen der Beteiligten aus, sondern vielmehr die Frage nach der moralischen Verantwortung für das Versagen und auch der persönlichen Verantwortung der Verantwortungsträger.

Das waren schon sehr intensive Minuten, in denen darüber gesprochen wurde und auch einzelne konkrete Fragen gestellt wurden. Das Wichtigste war am Schluss, welche Strategie denn nun der Erzbischof und der Generalvikar an den Tag legen wollen, das durchaus gestörte oder schon zerrüttete Vertrauen zu den Gemeinden und den Gläubigen zurückzugewinnen.

DOMRADIO.DE: Wie haben der Kardinal und der Generalvikar darauf reagiert?

Hüsch: Der Generalvikar hat sehr souverän und ruhig versucht, die Fragen, soweit sie ihn betrafen, zu beantworten. Den Kardinal habe ich als sehr fahrig und nervös empfunden, er rang quasi nach Worten, um in einem verminten Gebiet ja kein falsches Wort zu sagen.

Ich habe ihn nicht als offen und authentisch erlebt. Er hat keine persönliche Verantwortung für sich gesehen oder übernommen, sondern in allererster Linie andere Entscheidungsträger vorgebracht, denen er letztlich nur gefolgt ist und hat keine eigene Verantwortung übernommen und hat am Ende eher ein falsches Kirchenbild und ein falsches Priesterbild als Ursachen ausgemacht, die diese Diskussion nun beeinflussen werden.

Mich hat das Ganze am Ende sehr ratlos zurückgelassen.

DOMRADIO.DE: Momentan hat der Diözesanrat auch die Zusammenarbeit mit der Bistumsspitze im Pastoralen Zukunftsweg auf Eis gelegt. Wie kann es da weitergehen?

Hüsch: Ich sage das ganz ehrlich und das betrifft mich ganz persönlich: Auch ich kenne viele Menschen, die offen darüber nachdenken, die Kirche zu verlassen. Es sind nicht mehr die Ränder, sondern es ist das Herz der Kirche. Es sind die Verantwortungsträger, die zum Teil über Jahrzehnte die tragenden Säulen unserer Kirche sind. Es ist keine Erosion, sondern geradezu eine Implosion, die wir feststellen können. Und die Austritte aus der Kirche lösen das Problem ja überhaupt nicht, sondern verschärfen es noch. Deshalb halte ich einen Austritt nicht für richtig.

Vielmehr müsste jetzt im Mittelpunkt stehen, dass die juristische Aufarbeitung nun abgeschlossen zu sein scheint, jedenfalls was die Bistumsleitung angeht. Nun geht es um die Übernahme von Verantwortung auch für moralische Fehler. Es muss klare persönliche Verantwortung übernommen werden. Das schließt auch persönliche Konsequenzen ausdrücklich mit ein. Die Opfer müssen wirklich in den Mittelpunkt gestellt werden. Ihnen muss begegnet werden und das Leid muss gelindert werden. Die Täter, nicht nur die in der Bistumsleitung, müssen zur Verantwortung gezogen und benannt werden.

Und letztlich kann in dieser Situation, in der die Bistumsleitung so stark unter Druck steht und auch im Moment keine Stütze darstellt, ein weiteres Festhalten am Pastoralen Zukunftsweg nicht gesehen werden. Diese Diskussion sollte - und das würde vieles auch nochmal erleichtern - tatsächlich nicht nur auf den Herbst verschoben, sondern auf unbestimmte Zeit ausgesetzt werden. Denn wir brauchen jetzt dringend einen Befreiungsschlag, sonst ist an die Zukunft der Kirche Kölns nicht zu denken.

Das Interview führte Hilde Regeniter.


Cornel Hüsch, stellvertretender Diözesanratsvorsitzender im Erzbistum Köln  (RA Hüsch)
Cornel Hüsch, stellvertretender Diözesanratsvorsitzender im Erzbistum Köln / ( RA Hüsch )

Generalvikar Dr. Markus Hofmann und Kardinal Woelki im Gespräch / © Beatrice Tomasetti  (DR)
Generalvikar Dr. Markus Hofmann und Kardinal Woelki im Gespräch / © Beatrice Tomasetti ( DR )
Quelle:
DR
Mehr zum Thema