Metropolit Kyrill gilt als Favorit für die Alexij-Nachfolge

Vordenker und «Außenminister»

Unter den Metropoliten und Oberhäuptern der orthodoxen Kirchen am Sarg des Patriarchen wirkte er geradezu jugendlich und
energisch: Metropolit Kyrill von Smolensk und Kaliningrad. Am Tag nach dem Tod von Alexij II. wurde der 62-Jährige vom Heiligen Synod, dem Leitungsgremium der russisch-orthodoxen Kirche, zum kommissarischen Leiter des Moskauer Patriarchats bestimmt. Damit wird er die Kirche bis zur Wahl des neuen Patriarchen Ende Januar 2009 leiten. Kenner sehen in Metropolit Kyrill einen Favoriten für diese Wahl.

Der Metropolit Kyrill: Als Favorit in die Wahl gegangen, nun Nachfolger von Alexij II. (epd)
Der Metropolit Kyrill: Als Favorit in die Wahl gegangen, nun Nachfolger von Alexij II. / ( epd )

«Alexij II. hat uns eine ganz andere Kirche hinterlassen», sagte Kyrill in seiner Predigt in der Erlöser-Katehdrale. Und der Würdenträger fügte hinzu: «Die Kirche ist nicht mehr gebrechlich. Uns zittern nicht mehr die Hände und Knie. Der Glaube ist zu materieller Kraft geworden.» Indem Kyrill dies mit tönender Stimme sagt, reklamiert er auch indirekt einen guten Anteil an dem Wiederaufschwung der russisch-orthodoxen Kirche seit dem Ende des Kommunismus für sich selbst. Denn schließlich gehört er zum Kreis der Weggefährten Alexijs seit dessen Wahl zum Patriarchen 1990.

Seit nahezu zwei Jahrzehnten ist Kyrill Leiter des Amtes für Außenbeziehungen des Patriarchats und damit sozusagen «Außenminister» der Russischen Orthodoxen Kirche. So managte Kyrill etwa das Treffen der Religionsführer in Moskau zum G-8-Gipfel 2006. Auf diesem Posten bestimmte er schon bisher wesentlich den Ökumene-Kurs der Kirche mit. Im vergangenen Oktober erst suspendierte das Moskauer Patriarchat seine Mitgliedschaft in der «Konferenz Europäischer Kirchen», einer Vereinigung von rund 125 anglikanischen, protestantischen und orthodoxen Kirchen, die im nächsten Jahr ihr 50-jähriges Bestehen feiern will.

In der Phase der Perestroika von Michael Gorbatschow gehörte Kyrill zu den Autoren des neuen Gesetzes über Religionsfreiheit. Dies trug auch zu seinem Ruf als einer der Vordenker der Kirche bei. Zudem war er maßgeblich an der erst in den vergangenen Jahren formulierten Soziallehre der russisch-orthodoxen Kirche beteiligt.

Der wortgewaltige Metropolit wurde besonders in den vergangenen Jahren neben dem Patriarchen selbst zum Gesicht der Kirche in Russland. Er ist ein Medienprofi, versteht es stets präzise und mediengerecht zu formulieren. Und dabei wirkt er äußerst prinzipienfest. Mit diesen Eigenschaften ausgestattet, wird er gern und häufig in Talk-Shows eingeladen. Überdies hat er eine eigene Sonntagsendung, das «Wort des Hirten» wird im ersten russischen Fernsehprogramm gezeigt. Wäre Kyrill kein Kirchenmann, sondern Politiker, würde er in Russland jede Wahl mit Bravour gewinnen.

Geboren wurde er am 20.November 1946 im damaligen Leningrad in der Familie eines Priesters. Nach der Schule trat er ins Priesterseminar ein, anschließend besuchte er die geistliche Akademie, die er mit Auszeichnung abschloss. Das Mönchsgelübde legte er 1969 ab und erhielt den Namen Kyrill. Schon ein Jahr später war er persönlicher Sekretär des Metropoliten von Leningrad.

Seit 1970 lernte er als Vertreter russisch-orthodox-sowjetischer Jugendorganisationen die USA und Westeuropa kennen. Von 1971 bis 1974 war er der Vertreter des Moskauer Patriarchats beim Weltkirchenrat in Genf. In der Nachrüstungsdebatte in Westeuropa Anfang der 80er Jahre trat als Kirchensprecher gegen das atomare Wettrüsten auf. Seit 1983 übernahm er ein Lehramt in der Moskauer Geistlichen Akademie. Kyrill ist mittlerweile Autor von 600 Büchern und Publikationen.

Deutschland besuchte Kyrill, der 1991 zum Metropoliten von Smolensk und Kaliningrad ernannt wurde, bereits mehrfach. So gehörte er etwa zu den Teilnehmern eines Treffens hochrangiger Religionsführer am Rande des Kölner Kirchentages 2007. Zweilmal traf er bereits mit Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) zusammen.