Metallbauer baut Spielgeräte für Rollstuhlfahrer

"Schön, wenn ich's im Bauch spüre"

"Am Schönsten ist es, wenn eine ganze Traube Kinder dran hängt", sagt Bernd Deragisch. Der Metallbaumeister hat ein besonders leichtgängiges Karussell gebaut. Der Clou: Sein Spielgerät hat er extra für Rollstuhlfahrer entwickelt.

Autor/in:
Carola Renzikowski
"Am Schönsten ist es, wenn eine ganze Traube Kinder dran hängt" (KNA)
"Am Schönsten ist es, wenn eine ganze Traube Kinder dran hängt" / ( KNA )

"In Osterhofen gibt's für mich kein Spielgerät", klagt Maxim. Im Park seines niederbayerischen Heimatortes kann er nur die Wege erkunden. Kein Wunder also, dass es der schmächtige Blondschopf im Elektro-Rollstuhl nach den Osterferien wieder "cool" findet, mit seinen Freunden bis zum Abwinken Karussell zu fahren - im Pausenhof der Schule für Körperbehinderte hoch über Passau. Seit Herbst steht dort das Karussell mit dem rot-weißen Zirkusdach neben einer Sandgrube mit kleinen Spielgeräten und ist der absolute Renner für Jung und Alt.

"Es ist so schön, wenn ich's im Bauch spüre", schwärmt Maxim, der seinen "E-Rolli" nur in eine der beiden Rollstuhlplätze auf der großen Drehscheibe einparken und den breiten Bügel hinter sich schließen muss. Der Handteller aus Kunststoff ist so leichtgängig, dass er mit Johannes, der nur den linken Arm zur Verfügung hat, problemlos den schwindelerregenden Dreh erreichen kann. Auch dann, wenn von den Geländerstangen des Karussells vor lauter mitfahrenden Kindern kaum mehr etwas zu sehen ist und die Fünft- und Sechstklässler mit Gekreische und wehenden Haaren testen, wie lange es das Pausenbrot noch im Bauch aushält.

Genau so hat sich das der Metallbaumeister Bernd Deragisch in seiner Werkstatt in Neuburg am Inn vorgestellt. 1.400 Kilogramm Belastung hält sein Karussell aus. "Am Schönsten ist es, wenn eine ganze Traube Kinder dran hängt." Der 41-Jährige kam vergangenes Jahr eher zufällig an den Auftrag, den Schülern einen Traum zu erfüllen. "Ich habe das Rad nicht neu erfunden, aber ich mache mir Gedanken, wie ich's verbessern kann", gibt er sich bescheiden.

Der Aufwand hat sich gelohnt
Mit seiner Frau Bianca Hupp, Schreinermeisterin von Beruf, hat er sich die Modelle von anderen Firmen angeschaut und schließlich ein besonders leichtgängiges und rollstuhlgeeignetes Karussell für möglichst viele Trittbrettfahrer gebaut. Auf den Abbrems- und Arretier-Mechanismus seines Unikats besitzt er sogar das Patent. In der großen Betriebshalle wartet aber auch noch das jüngste Prunkstück der beiden Quereinsteiger darauf, von einem jungen Rollstuhlfahrer ausprobiert zu werden: die Rollstuhl-Schiffschaukel.

"Für die Planung und Entwicklung ist der ganze Winter drauf gegangen", erzählt Bianca Hupp, die sich dafür extra "die technische Theorie reingezogen" hat. Der Aufwand hat sich offenbar gelohnt, denn der kleine Betrieb hat bereits den Auftrag für eine weitere Schaukel in Ingolstadt. So wartet das TÜV-geprüfte Erstlingswerk darauf, möglichst bald lackiert und im neuen Außengelände der Passauer K-Schule aufgestellt zu werden.

"Sollen wir's noch mal richtig schnell drehen?"
Auf den Augenblick freut sich auch Schulleiter Karl Bischof, der das rollstuhlgeeignete Gelände mit Wegen im Blumenmuster hat modellieren lassen. Jedes Blütenblatt soll einmal ein eigenes Thema bekommen, die Schaukel wird eines davon sein, ein weiteres Spielgerät ist schon in Planung. Für seine von der Caritas getragenen Einrichtung ist der Neuburger Betrieb ein Segen, weil die Geräte von anderen Firmen bisher unerschwinglich waren, trotz großzügiger Spenden. Und weil Bernd Deragisch so viel Spaß daran hat, Bewegungsspiele auszutüfteln, die ganz bewusst nicht nur für Kinder im Rollstuhl gedacht sind.

"Anders wäre es auch schlimm", meint Bischof, "weil Spaß haben die Kinder nur, wenn möglichst viele mitmachen können." Den haben die 14 Fünft- und Sechstklässler auf dem Karussell natürlich auch, weil sie das Gerät einem Besucher vorführen wollen: Aber selbst nach fünf Minuten machen sie nicht den Anschein, als ob sie genug hätten - schon gar nicht, als der Schulleiter ruft: "Sollen wir's noch mal richtig schnell drehen?"