Merkel zum Thema Missbrauch im Plenum - Zollitsch im Wandelgang

Ein Mittwochvormittag im Parlament

Das Thema Missbrauch ist im Bundestag angekommen. Mit der Bundeskanzlerin. "Verabscheuungswürdige Verbrechen", sagt Angela Merkel am Mittwoch. Jetzt müsse "Wahrheit und Klarheit über alles gehen". Und dann macht sie deutlich, dass die Regierung nur einen Runden Tisch und nicht mehrere Gremien einrichten werde.

Autor/in:
Christoph Strack
 (DR)

Haushaltswoche des Bundestages, es läuft die Generalaussprache - eigentlich der große Schlagabtausch um Pflege, Hartz IV oder spätrömische Dekadenz, um Schulden und Investitionen. Doch die Regierungschefin spricht mitten in ihrer Rede das Thema Missbrauch an und zeigt in wenigen Sätzen den Kurs der Regierung auf.

Vom «Runden Tisch» spricht sie nicht, verwendet stattdessen den Begriff «Gesprächsforum». Und auch, wenn bei ihr kurz das Wort Entschädigung fällt - mehrfach verwendet Merkel den Begriff «Wiedergutmachung» und zeigt damit den Weg auf. Die Aufarbeitung fordere die gesamte Gesellschaft heraus. Ihre Mahnung: Das Geschehene begleite die Opfer «ihr ganzes Leben lang». Deshalb gehe es heute vor allem darum, dass sich die Opfer «wieder anerkannt und aufgehoben fühlen».

Am Morgen waren die drei Ministerinnen, die bislang um Runde Tische gestritten hatten - Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP/Justiz) versus Kristina Schröder (CDU/Familie) und Annette Schavan (CDU/Bildung) - zum klärenden Gespräch zusammengekommen. Schließlich hatte das Kanzleramt seit Freitag auf Klärung gedrängt. Und auch die Liberale findet es plötzlich eine gute Idee, die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle gemeinsam zu bündeln.

Nach der Rede der Bundeskanzlerin beschäftigt das Thema Missbrauch weiter das Plenum: Grünen-Fraktionschefin Renate Künast wirft der Kanzlerin vor, Papst Benedikt XVI. in Schutz zu nehmen und nicht die Kinder. Ihr Eindruck sei, «dass der CDU das 'C' im Wege steht». Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) kontert, offenbar gehe es einigen nicht um die Sache, sondern um «eine Abrechnung mit der Kirche».

Zu dieser Stunde spricht Erzbischof Robert Zollitsch, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, zwei Etagen über der Plenarebene mit den Fraktions-Kirchenbeauftragten von Union, SPD, Grünen und FDP. Es geht um ein Kennenlernen, um den Ökumenischen Kirchentag im Mai, vor allem aber - natürlich - um den Umgang der Kirche mit Missbrauchsfällen. Die Parlamentarier, heißt es später, ermutigten den Gast, den Weg der Aufarbeitung fortzusetzen.

Kurzfristig ist auch ein Treffen von Zollitsch mit Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) vereinbart worden. Während der Kirchenmann wartet, kommt Gregor Gysi vorbei. Er tritt zum Händedruck heran: «Herr Erzbischof, heute beneide ich Sie nicht», sagt der Linkenpolitiker. Aber gelegentlich sei er ja schon neidisch...

Als sich die Tür zum Gespräch öffnet, tritt nicht nur Pofalla heraus, sondern auch Umweltminister Röttgen und - ein Zollitsch betont freundlich grüßender Liberaler - Wirtschaftsminister Brüderle. Haushaltswoche - da gibt es schon mal Detailberatungen am Rande der lauten Debatte.

Während im Wandelgang Abgeordnete der Linksfraktion - halb ernst, halb spöttisch - rätseln, ob der Zölibat eigentlich mit dem Grundgesetz vereinbar sei, tauschen sich Pofalla und Zollitsch hinter verschlossenen Türen 20 Minuten aus. «Ich bin der Bundeskanzlerin dankbar für das, was sie heute im Bundestag gesagt hat», meint der Erzbischof im Anschluss. Merkel habe klar «die Dimensionen aufgezeigt, um die es geht». Die Sensibilität und Achtsamkeit in der ganzen Gesellschaft müsse wachsen.

Pofalla, der am Wochenende in dieser Sache viel telefoniert hat, erläutert, dass es beim Runden Tisch für Prävention, Rechtsfragen und Bildung Arbeitsgruppen geben werde. Und lobt: «Ich habe den Eindruck, dass die Kirche alles tut, um die Dinge, die jetzt aufgeklärt werden müssen, aufzuklären.» Er sei Zollitsch dankbar, wie sehr er sich in der Sache engagiere. Sagt es und eilt ins Plenum - Abstimmung über den Etat des Kanzleramts.