Menschenrechtsverletzungen in Thailands muslimischen Süden

"Wir leben in Angst"

Die thailändische Armee trage Schuld am Tod eines islamischen Geistlichen. Dieses bemerkenswerte Urteil fällte am ersten Weihnachtstag ein Gericht im thailändischen Narathiwat. Es hat Seltenheitswert, dass Menschenrechtsverletzungen, Mord und Folter, begangen durch Soldaten der königlichen Streitkräfte, vor Gericht verhandelt werden. Noch seltener ist es, dass die Armee dabei den Kürzeren zieht. Dabei kommt es regelmäßig zu Menschenrechtsverletzungen in Thailand, wie amnesty international berichtet.

Autor/in:
Michael Lenz
 (DR)

Der 56 Jahre alte Imam Yapa Kaseng war im März 2008 in einem Lager der Armee in Thailands überwiegend muslimischen Süden bei einem Verhör gefoltert und umgebracht worden - kein Einzelfall in den Südprovinzen Pattani, Yala und Narathiwat. Im ehemals unabhängigen islamischen Sultanat Pattani an der Grenze zu Malaysia kämpfen seit fünf Jahren islamistische Rebellen mit Waffengewalt für einen unabhängigen islamischen Staat.

Thailands Armee geht mit äußerster Gewalt gegen die Aufständischen vor. Sie schreckt dabei auch nicht vor Folter und Mord in geheimen Gefängnissen und Lagern zurück, wie der am Dienstag in Bangkok veröffentlichte ai-Bericht zeigt. Umgekehrt sind auch die Muslimrebellen, die in voneinander unabhängig agierenden Zellen organisiert sind, nicht zimperlich in der Wahl ihrer Methoden. Sie greifen Armeeeinheiten an, ermorden buddhistische Mönche, verüben Bombenanschläge auf Polizeistationen, Armeeeinrichtungen und thailändische Behörden.

Durch Brandanschläge auf staatlichen Schulen schaffen sie ein Klima der Unsicherheit und zwingen Eltern, ihre Kinder in islamische Schulen zu schicken. Dort werden schon achtjährige mit islamistischem Gedankengut indoktriniert und auf den späteren Einsatz in Kampf- und Logistikverbänden vorbereitet.

Seit Anfang 2004 hat sich der Konflikt wieder zugespitzt
Seit Auflösung des Sultanats Pattani 1902 durch Thailand fühlen sich die ethnischen Malaien, die traditionsgemäß Muslime sind, von den buddhistischen Thais unterdrückt. Zeitweise waren kulturelle Bräuche sowie Bücher über die Geschichte des mehr als 700 Jahre alten Sultanats verboten. Bewaffnete Aufstände hat es seitdem immer wieder gegeben.

Seit Anfang 2004 hat sich der Konflikt nach einer Phase der Ruhe und einem Köcheln auf kleiner Flamme wieder zugespitzt; eine neue, islamisch geprägte Widerstandsbewegung hat sich formiert. "Vorher war das ein ethnisch-kultureller Konflikt, zu dem jetzt ein religiöses Element gekommen ist", sagt Canan Atilgan, Repräsentantin der Konrad-Adenauer-Stiftung in Thailand. Die neue Rebellengeneration hat die Errichtung eines islamischen Staates zum Ziel.

Eine friedliche Lösung ist nicht in Sicht
Während das malaiisch-nationalistische Element der Ideologie der Rebellen nach wie vor große Resonanz in der Bevölkerung findet, scheint die radikalislamische Ausrichtung auf Ablehnung zu stoßen. Poh Meng, Kommandeur einer früheren Widerstandsgeneration, sagte der Menschrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW), er werde nie zögern, für ein freies Pattani zu den Waffen zu greifen - "aber nicht so, wie diese Generation sich verhält. Wir haben keine Mönche oder buddhistisch-thailändische Zivilisten getötet."

In den Dörfern des Südens herrschen die Rebellen mit Schrecken. "Wenn du nicht tust, was sie sagen, bist du tot. Wir leben in Angst. Selbst der Imam fürchtet sich vor denen", zitiert HRW einen malaiisch-muslimischen Bauern.

Eine friedliche Lösung des Konflikts, der bisher Tausende Menschen das Leben kostete, ist nicht in Sicht. "Die Thais sehen die Aufständischen als einfache Kriminelle und weigern sich, die ethnisch-kulturellen Wurzeln des Konflikts anzuerkennen", sagt Atilgan und fügt hinzu: "Solange die beiden Seiten sich nicht auf die Ursachen des Konflikts verständigen können, redet man aneinander vorbei."