Menschenrechtsgericht entscheidet abermals gegen Sterbehilfe

Kein "Recht auf Sterben"

Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof hat abermals in einem Streit um Sterbehilfe gegen den Wunsch nach lebensbeendenden Maßnahmen entschieden. Die Straßburger Richter wiesen die Klage eines Schweizers ab, der wegen einer psychischen Erkrankung seinem Leben ein Ende setzen wollte.

 (DR)

Vor dem Menschenrechtsgerichtshof hatte er sich darüber beschwert, dass es ihm in der Schweiz verweigert wurde, sich das Präparat Pentobarbital zu besorgen, von dem er sich einen würdigen, sicheren und schmerzfreien Tod erwartete. Die Richter erklärten die Verschreibungspflicht für das Präparat für rechtens.



Schweizer Richter hatten zuvor Ausnahmen abgelehnt

Der seit Jahren an einer schweren bipolaren Störung leidende Schweizer hatte geltend gemacht, er könne wegen seiner Krankheit kein würdiges Leben mehr führen. Der Versuch, sich das Selbstmordpräparat von Ärzten verschreiben zu lassen, scheiterte. Schweizer Gerichte bis zum Bundesgericht wiesen seine Forderung zurück, eine Ausnahmegenehmigung zu erhalten, um das Präparat ohne ärztliche Verschreibung zu erhalten.



Schutz vor voreiligen Entscheidungen

Der Menschenrechtsgerichtshof weist darauf hin, dass die 47 Europarats-Staaten unterschiedliche Auffassungen zur aktiven Sterbehilfe und zu Lebensende hätten. Ihr Ermessensspielraum in dieser Frage sei daher beachtlich. In der Schweiz sei die Beihilfe zum Selbstmord nur strafbar, wenn der Helfer aus egoistischen Motiven handele. Mit der Verschreibungspflicht für Pentobarbital verfolge die Schweiz ein legitimes Ziel, so die Richter. Es gehe darum, Menschen vor voreiligen Entscheidungen zu schützen und zugleich Missbräuche zu vermeiden.



Die Richter unterstreichen, die Gefahren eines Systems, in dem die Beihilfe zum Selbstmord erleichtert würde, dürften nicht unterschätzt werden. Das in der Europäischen Menschenrechtskonvention verankerte Recht auf Leben bedeute für die Staaten auch die Pflicht, Regelungen dafür zu treffen, dass die Entscheidung, das Leben zu beenden, wirklich dem freien Willen des Betroffenen entspreche. Dem diene etwa die Verschreibungspflicht, die bedeute, dass eine gründliche Befassung mit dem Einzelfall dem Erwerb des Präparats vorausgehen müsse.



Ähnlicher Fall aus Deutschland

In Straßburg steht derzeit ein ähnlich gelagerter Fall aus Deutschland zur Entscheidung an. Geklagt hatte ein Witwer, dessen Frau vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte 2004 der Erwerb einer tödlichen Dosis eines Betäubungsmittels untersagt worden war. Die gelähmte und auf Pflege angewiesene Frau wollte damit ihr Leben beenden. Juristische Schritte gegen die Entscheidung blieben erfolglos. Die Frau war seit einem Unfall 2002 vom Hals abwärts gelähmt; sie war auf künstliche Beatmung angewiesen und musste rund um die Uhr gepflegt werden. Der Fall wurde im Oktober vom Menschenrechtsgerichtshof verhandelt. Eine Entscheidung steht noch aus.



In früheren Fällen hatten die Richter ein Recht auf Selbstmord bestritten. So urteilten die Richter im April 2002 im Fall der Britin Diane Pretty, Staaten könnten nicht verpflichtet werden, Sterbehilfe zuzulassen. Ein "Recht auf Sterben" lasse sich aus der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht ableiten.