Menschenrechtler erklärt, warum ein Religionsbeauftragter wichtig ist

"Wir messen dem höchste Bedeutung zu"

Martin Lessenthin von der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte begrüßt, dass es laut Koalitionsvertrag erstmals einen Beauftragten für Religionsfreiheit geben soll. Das Amt ist in seinen Augen längst überfällig.

Symbolbild Weltreligionen: Kreuz, Kippa und Koran / © Jörn Neumann (epd)
Symbolbild Weltreligionen: Kreuz, Kippa und Koran / © Jörn Neumann ( epd )

epd: Herr Lessenthin, bald soll es einen Beauftragten für Religionsfreiheit geben – sofern die Koalition aus Union und SPD zustande kommt. Überrascht es Sie, dass dieser Posten im Koalitionsvertrag erwähnt ist?

Lessenthin (Vorstandssprecher der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte): Anders als bei den Sondierungen zu Jamaika waren wir bei den Verhandlungen zu einer großen Koalition unsicher, ob sich Union und SPD auf einen Beauftragten für Religionsfreiheit einigen würden. Bei Union, Grünen und FDP war sicher gewesen, dass die Parteien das Amt einführen würden.

Hier hing es nun an der SPD. Deren Religionsbeauftragte im Bundestag, Kerstin Griese, hatte sich in dieser Frage in jüngster Vergangenheit skeptisch geäußert. Wir Menschenrechtler messen diesem Amt höchste Bedeutung zu. Deshalb fordern wir einen solchen Beauftragen übrigens seit 2001.

epd: Warum braucht es dafür einen eigenen Posten? Religionsfreiheit ist schließlich ein Menschenrecht, und einen Beauftragten für Menschenrechte gibt es ja schon.

Lessenthin: Wir wissen selbst, wie groß das Gebiet der Menschenrechte ist. Da geht es um politische Gefangene, ethnische Konflikte, um Pressefreiheit, humanitäre Einsätze und vieles andere mehr. Die religiös motivierte Verfolgung hat sich in den vergangenen 20 Jahren dramatisch entwickelt. Auch deshalb bedarf es einer eigenen Institution.

Es geht bei diesem Amt nicht nur darum, Fakten zu sammeln, sondern auch darum, Fluchtursachen zu bekämpfen. Der Beauftragte soll dazu beitragen, dass Deutschland und die EU darauf hinwirken, dass das Leben in den entsprechenden Gebieten ohne Gefahr möglich ist – vor allem im Nahen und Mittleren Osten, in Asien und in Nordafrika. Das wurde lange verkannt.

epd: Von wem?

Lessenthin: Einerseits von der Politik, andererseits auch von der Amtskirche. Dabei denke ich sowohl an die evangelische als auch an die katholische Kirche in Deutschland, außerdem an die Freikirchen. Vielleicht wurde da mal das Schicksal der koptischen Glaubensbrüder beklagt, aber mehr war da lange Zeit nicht zu erwarten.

Die katholische Kirche hat vielfach missverstanden, mit wem sie überhaupt in Dialog über Glaubensfragen treten soll. Das zeigte etwa jene Veranstaltung im Mainzer Dom vor einigen Jahren, wo Kardinal Lehmann Nadeem Elyas die Kanzel anbot. Elyas war damals Vorsitzender des Zentralrats der Muslime und stand unter anderem für die Ungleichbehandlung der Frau.

Auch die evangelische Kirche hat vieles versäumt. Erst unter Bischof Wolfgang Huber nahm sie die Christenverfolgung ernst. Davor war auch von den Protestanten in dieser Hinsicht wenig Engagement zu erwarten.

Julia Lauer


Martin Lessenthin / © Internationale Gesellschaft für Menschenrechte / IGFM
Martin Lessenthin / © Internationale Gesellschaft für Menschenrechte / IGFM
Quelle:
epd
Mehr zum Thema