Melanchthonjahr 2010 eröffnet - Politik und Kirche würdigen Bedeutung des Reformators für die Moderne

Der Lehrer Deutschlands

Auf die Bedeutung des Reformators Philipp Melanchthon
(1497-1560) für die Gegenwart haben Vertreter von Kirche, Politik und Wissenschaft aufmerksam gemacht. Der badische Altbischof Klaus Engelhardt würdigte Melanchthon als Vorbild für die moderne Gesellschaft. Sein Wirken als "Praeceptor Germaniae" (Lehrer Deutschlands), Schul- und Universitätsreformer dürfe nicht getrennt werden von seiner Rolle als Reformator der Kirche, sagte Engelhardt am Samstag in Bretten beim Festakt zur Eröffnung des Melanchthon-Gedenkjahres.

Autor/in:
Ulrike Leicht
 (DR)

Anlass für das Melanchthonjahr der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist der 450. Todestag Melanchthons im kommenden Jahr. Als Philipp Schwarzerdt wurde Melanchthon am 16. Februar 1497 im badischen Bretten geboren. Zusammen mit Martin Luther war er der führende Vertreter der Reformation. Er starb am 19. April 1560 und wurde in Wittenberg neben Luther begraben.

Der baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger
(CDU) bezeichnete Melanchthon als «südwestdeutsche Geistesgröße von herausragender Bedeutung». Die «beachtenswerte» Äußerung Melanchthons, dass das Staatswesen ohne Religion auf Dauer nicht existieren könne, sei mehr denn je wichtig.

Der Direktor der Europäischen Melanchthonakademie, Günter Frank, bezeichnete den Reformator als Persönlichkeit, die wesentlich die Bildungsvorstellungen und -institutionen der europäischen Moderne geprägt habe. «Das Wissen der Vergangenheit bietet Orientierung für die Gegenwart,» sagte Frank.

Melanchthon sei eine der «großen Figuren, bei denen Glaube und säkulare Kultur zusammengehören, ohne dass der Glaube weichgespült oder die säkulare Kultur religiös überfremdet worden wäre», sagte Engelhardt, der von 1991 bis 1997 Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland war. Die Reformation habe erheblich zu der von klerikalem Machtanspruch befreiten Säkularität des Staates beigetragen.

Jetzt gehe es darum, Christen in die Pflicht zu nehmen, damit sie für die säkulare Gesellschaft mit ihrer Kultur Verantwortung übernehmen, sagte der Theologe. Melanchthon habe die Schulen und die Lehrer gewürdigt. Angesichts von Amokläufen und Gewalttaten von Schülern forderte Engelhardt daher mehr Wertschätzung dessen, was Lehrerinnen und Lehrer an den Schulen leisten.

In einem ökumenischen Fernsehgottesdienst am Samstagmorgen würdigte der Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch den Reformator als Menschen, der alles getan habe, um die Spaltung der Kirche zu verhindern. Auch wenn Christen unter der Trennung beider Kirchen litten, könnten sie gemeinsam Melanchthons gedenken, sagte Zollitsch, der auch Vorsitzender der katholischen Deutschen Bischofskonferenz ist, in seiner Predigt in der Brettener Stiftskirche.

Der badische evangelische Landesbischof Ulrich Fischer plädierte in dem Gottesdienst dafür, individuelle Begabungen zum Besten des menschlichen Miteinanders einzusetzen. Statt neidisch aufeinander zu schauen, müssten die einzelne Christen und ihre Kirchen «wetteifern in Ideen» für ein besseres gegenseitiges Dienen mit den von Gott geschenkten Gaben.