Mehrheit der Amerikaner will Trennung von Kirche und Politik

Wie hältst du's mit der Religion?

Der Glaube eines Kandidaten ist in den USA oft, wenn nicht sogar immer ein Thema der öffentlichen Diskussion. So ist es eine der bisher wirkungsvollsten Behauptungen der republikanischen Wahlkampagne, der Demokrat Barack Obama sei Muslim. Als Gerücht gezielt gestreut, hat die - falsche - Behauptung wesentlich dazu beigetragen, dass der Republikaner McCain in den Meinungsumfragen zu Obama aufgeschlossen hat. Dabei tritt eine Mehrheit der Amerikaner für eine strikte Trennung von Religion und Wahlkampf ein - so zumindest das Ergebnis einer Umfrage.

Autor/in:
Ronald Gerste
 (DR)

Laut der Umfrage des renommierten Pew Forum on Religion and Public Life, die am Donnerstag (Ortszeit) bekanntgegeben wurde, erklärten 52 Prozent der Befragten, die Kirchen sollten sich aus politischen Fragen heraushalten. 45 Prozent fanden kirchliche Stellungnahme dazu in Ordnung; damit war diese Gruppe erstmals bei derartigen Umfragen in der Minderheit. Noch deutlicher ist die Ablehnung gegen eine regelrechte Unterstützung eines Präsidentschaftskandidaten durch eine Glaubensgemeinschaft. 66 Prozent finden dies unangemessen.

Der Grund für diesen Meinungsumschwung der vergangenen Jahre sehen Experten in der veränderten Haltung von konservativen Wählern und gläubigen Christen. Vor vier Jahren hatten noch 30 Prozent der sich selbst als konservativ einschätzenden Befragten eine Trennung von Kirche und Politik gefordert. Deren Anteil ist nun auf 50 Prozent hochgeschnellt.

Dieses Detail der Umfrage mag eine Entwicklung innerhalb des religiös-konservativen Spektrums und bei den amerikanischen Evangelikalen widerspiegeln, die politische Analysten seit Wochen beobachten: Dieser Teil der US-Bevölkerung scheint sich 2008 nicht länger quasi automatisch der Republikanischen Partei verbunden zu fühlen wie noch bei früheren Wahlen, als die Kandidaten der Republikaner Ronald Reagan oder George Bush senior und junior hießen.

"swing bloc" Katholiken
So ist auch der Prozentsatz derjenigen, die auf die Frage "Welche Partei ist gegenüber der Religion am positivsten eingestellt?" die Republikaner nennen, mit 52 Prozent nicht mehr sonderlich hoch. Fast die Hälfte - 48 Prozent - vertrat laut Pew Forum sogar der Ansicht, dass religiös-fundamentalistische Elemente in der Partei zu viel Einfluss haben. Die Demokraten hingegen konnten den Anteil, der die Partei für "religionsfreundlich" hält, von 26 Prozent auf 38 Prozent steigern.

Die größte Einzelkonfession in den USA, die Katholiken, bestätigt die Umfrage als "swing bloc", also als bislang nicht eindeutig festgelegtes und potenziell wahlentscheidendes Segment der Bevölkerung. Ungefähr jeder fünfte Wähler ist katholisch. Laut Pew Forum sprachen sich 45 Prozent der befragten Katholiken für McCain aus, 44 Prozent für Obama. Andere Umfragen sahen zuletzt den Republikaner bei den Katholiken deutlicher vorn.

Vor diesem Hintergrund kommt der wichtigsten Personalentscheidung, vor der beide Kandidaten in diesem Wahlkampf stehen und die in den nächsten Tagen gefällt werden muss, große Bedeutung zu: die Ernennung eines Kandidaten für die Vizepräsidentschaft. Zu den drei Favoriten, die nach Expertenansicht bei Obama in die engere Wahl kommen, gehört mit Tim Kaine, dem Gouverneur von Virginia - einem möglicherweise wahlentscheidenden "Swing state" - auch ein Katholik.