Mehrere tausend Tote und Verletzte in Libyen befürchtet

Brutales Vorgehen gegen Demonstranten

Bei den Unruhen in Libyen sind nach Befürchtungen der Vereinten Nationen mehrere tausend Menschen ums Leben gekommen oder verletzt worden. Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Navi Pillay, sagte, die Niederschlagung des Volksaufstandes durch das libysche Regime eskaliere in alarmierender Weise.

 (DR)

Die Truppen des Diktators Muammar al-Gaddafi verübten laut vorliegenden Berichten Massentötungen, folterten Demonstranten und sperrten willkürlich Regimegegner ein, sagte Pillay. Nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks sind bereits rund 22.000 Menschen vor der Gewalt in Libyen in das benachbarte Tunesien geflohen. Bei den meisten Flüchtlingen handele es sich um tunesische Staatsbürger.



Wegen der brutalen Gewalt gegen Demonstranten muss Libyen mit einem Ausschluss aus dem UN-Menschenrechtsrat rechnen. Das höchste UN-Gremium zum Schutz der Menschenrechte forderte die UN-Generalversammlung in New York auf, die libysche Mitgliedschaft zu suspendieren. Der Menschenrechtsrat fällte diese Entscheidung im Konsens.



Ein libyscher Diplomat hatte in der Debatte betont, dass die Genfer UN-Botschaft Libyens nur das libysche Volk vertrete, sonst niemanden. Er distanzierte sich vom Gaddafi-Regime. Der Unterhändler regte eine Schweigeminute für die Opfer der Gewalt an. Die übrigen 46 Mitglieder des Rates folgten dem Vorschlag. Der libysche Diplomat war nur kurze Zeit anwesend.



Falls die UN-Vollversammlung der Forderung nachkommt, wäre Libyen das erste Land, das den 2006 gegründeten UN-Menschenrechtsrat verlassen muss. Deutschland, die anderen EU-Staaten sowie 32 weitere Staaten, darunter die USA, hatten in der Sitzung den Ausschluss Libyens aus dem Menschenrechtsrat verlangt. Der deutsche UN-Botschafter Reinhard Schweppe sagte, die "schockierende" Gewalt des libyschen Regimes gegen Demonstranten mache einen Ausschluss Libyens aus dem Menschenrechtsrat zwingend notwendig.



Arabische Staaten wie Saudi-Arabien, afrikanische Staaten wie Angola sowie Kuba und China standen einem Ausschluss Libyens skeptisch gegenüber. Sie wehrten sich aber letztlich nicht gegen die Forderung. Der Menschenrechtsrat beschloss auch eine unabhängige Untersuchung der Gewaltexzesse vor Ort.



Die UN-Vollversammlung kann den Ausschluss Libyens aus dem Menschenrechtsrat mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit beschließen. Libyens Mitgliedschaft endet regulär 2013. Deutschland ist kein Mitglied des UN-Gremiums, hat aber Rederecht.



Unterdessen forderte der Europäische Flüchtlingsrat die EU-Regierungen auf, nicht nur die eigenen Bürger vor den Unruhen in Libyen in Sicherheit zu bringen. Auch die Libyer selbst und Flüchtlinge aus anderen afrikanischen Ländern seien auf Schutz vor Gewalt und Menschenrechtsverletzungen angewiesen, erklärte das Netzwerk von Nichtregierungsorganisationen in Brüssel.



Sollte es Flüchtlingsbewegungen über das Mittelmeer geben, dürften die EU-Staaten die Menschen nicht einfach zurückweisen. Die Flüchtlinge müssten ein faires Asylverfahren bekommen, forderte der Flüchtlingsrat. In Libyen halten sich laut EU-Schätzungen bis zu 1,5 Millionen Ausländer auf, die meisten von ihnen aus Ländern südlich der Sahara.



Die EU-Kommission bekräftigte, dass in Kürze eine Initiative für humanitäre Hilfe anlaufen werde. "Wir sprechen von einer beachtlichen Geldsumme", sagte ein Sprecher der Brüsseler Behörde. Laut früheren Angaben von Nothilfekommissarin Kristalina Georgiewa will die EU drei Millionen Euro bereitstellen.