Europäische Janusz Korczak Akademie über das Projekt "Rent a Jew"

"Mehr Verständnis füreinander"

Mit dem Projekt "Rent a Jew" wollte die Europäische Janusz Korczak Akademie den Menschen das Judentum nahebringen und einen Einblick in Religion und Kultur bieten. Eva Haller, Präsidentin der Akademie, erklärt das Projekt.

Mann mit Kippa / © Federico Gambarini (dpa)
Mann mit Kippa / © Federico Gambarini ( dpa )

DOMRADIO.DE: Wenn man das so hört, "Rent a Jew", das klingt ein bisschen despektierlich, finde ich. Der Titel ist aber mit Absicht so provokant gewählt, oder?

Eva Haller (Präsidentin der Europäischen Janusz Korczak Akademie): Ja, das ist ganz richtig. Natürlich, wenn man "Rent a Jew" zum ersten Mal hört, wundert man sich: Man kann einen Juden mieten? Ja, man kann dort mit Personen in Kontakt treten und ihnen begegnen.

DOMRADIO.DE: Erzählen Sie uns doch mal: Wie läuft das genau ab?

Haller: "Rent a Jew" ist ein sogenanntes Grassroot Projekt unserer Akademie. Wir haben vor fünf Jahren damit begonnen. Die Grundidee des Projektes ist der Dialog und die Begegnung auf Augenhöhe. Diesen Aspekt des interkulturellen und interreligiösen Dialoges haben wir bereits seit unserer Gründung im Jahr 2009 in unserem Programm. Es hat sich ein Team gebildet, das dann bundesweit ausgebaut wurde. Dieses Team bestand sowohl aus jungen, mittelalten und älteren Menschen. Ich gehörte teilweise auch dazu. Wir waren alle bereit, Menschen auf Augenhöhe und mit Respekt zu begegnen.

DOMRADIO.DE: Wie läuft eine solche Begegnung ab?

Haller: Man hat uns per Telefon, E-Mail oder auf anderen Wegen angesprochen. Aus der breiten jüdischen Gemeinschaft sind Juden und Jüdinnen durch das gesamte Bundesgebiet gefahren und haben vor Ort in Schulen, Institutionen oder religiösen Einrichtungen sich als Person vorgestellt. Die Person hat vor Ort ihre eigenen Erfahrungen und ihre Lebensgeschichte mit eingebracht. Das Grundprinzip war: Alle Fragen sind erlaubt. Man soll nicht über, sondern mit Juden sprechen. Das ganze soll mit Respekt und auf Augenhöhe geschehen.

DOMRADIO.DE: Welche Fragen wurden da gestellt?

Haller: Ganz unterschiedliche. Viele zum Familienleben, zum Alltag, zur Religion, zum koscheren Essen oder zu den Feiertagen. Ganz speziell wurde auch gefragt: Wie lebt man heute als Jude? Wie viele Juden gibt es überhaupt in Deutschland? Diese Frage taucht immer wieder auf. Wenn man dann näher ins Gespräch kam war es auch interessant, konkrete Zahlen nennen zu können.

DOMRADIO.DE: Wie viele sind es denn?

Haller: In ganz Deutschland sind es meines Wissens ungefähr 200.000 Juden und Jüdinnen.

DOMRADIO.DE: Sind Sie gar nicht traurig, dass es solche Aktionen braucht oder denken Sie, dass man solche Fragen auch von alleine stellen sollte?

Haller: Die jüdische Gemeinschaft vor allem in ländlichen Gebieten ist nicht groß, sodass man nur selten die Möglichkeit hat einem Juden oder einer Jüdin zu begegnen. Leider ist heutzutage der Antisemitismus wieder auf Hochtouren und viele Fake News sind im Umlauf. Vorurteile werden weitergegeben. Man hat dadurch vielleicht auch die Scheu, Juden zu begegnen. Abgesehen davon hat man oft gar nicht die Möglichkeit dazu wie zum Beispiel in Schulen auf dem Land. Dieses Projekt gab die Möglichkeit dem entgegenzutreten.

DOMRADIO.DE: Würden Sie sagen, dass man das "Rent a Jew"-Prozedere auch auf andere Kulturen und Religionen angewendet werden kann. Könnte man das übertragen?

Haller: Man kann es sicherlich auf alles übertragen. Wichtig ist nur die Bereitschaft, von Mensch zu Mensch miteinander in Dialog zu treten.

DOMRADIO.DE: Dieses Programm ist im vergangenen Dezember nach fünf Jahren beendet worden. Welche Bilanz können Sie ziehen?

Haller: Eine positive Bilanz. Sicherlich gab es auch Begegnungen mit schwierigen Fragen, manchmal latente Ablehnung einzelner oder mehrerer Personen in den Dialogen. Aber letzten Endes durch die persönliche Begegnung, durch das Einbringen der eigenen Lebensgeschichte denke ich, dass es sich gut entwickelt hat. Die Menschen haben mehr Verständnis füreinander bekommen und viele Vorurteile konnten abgebaut werden.

Das ist sehr wichtig, da jeder Einzelne durch diese Begegnungen zum Multiplikator geworden ist. Er kann es in seine Community oder in den eigenen Familienkreis weitertragen. Die Personen geben ihre Erfahrungen weiter und das ist der größte Erfolg, den man sich wünschen kann.

Das Interview führte Verena Tröster.


Quelle:
DR