Mehr Obdachlose in NRW als vermutet - Bielefeld geht neue Wege bei medizinischer Betreuung

Aus der Wohnung, aus dem Sinn?

In Nordrhein-Westfalen leben mehr Obdachlose als bislang angenommen. Eine neue Erhebung geht von 21.600 Wohnungslosen aus, 6.500 mehr als bekannt, sagte Familienminister Armin Laschet (CDU) am Freitag in Düsseldorf. Erstmals seien im Jahr 2006 auch die in Quartieren von freien Trägern untergebrachten Wohnungslosen erfasst worden. Bielefeld setzt nun ein neues Finanzierungsmodell zur medizinischen Versorgung Obdachloser ein.

 (DR)

Nach den neuen Erkenntnissen sind 91 Prozent der Obdachlosen in NRW Deutsche. Der Anteil der Männer beträgt mehr als 84 Prozent, der der Alleinstehenden 95 Prozent. Weibliche Wohnungslosen sind im Schnitt jünger als männliche. Die neue Statistik war im Rahmen eines Pilotprojektes entwickelt worden. Sie soll nach Angaben des Ministers jährlich erhoben werden.

Bielefeld geht neue Wege bei medizinischer Betreuung Obdachloser
Das neue Finanzierungsmodell zur medizinischen Versorgung Obdachloser wird jetzt in Bielefeld als erster Stadt in Westfalen umgesetzt. Wie das Gesundheitsministerium am Freitag mitteilte, setzt das Konzept auf eine starke Orientierung an den Interessen der Patienten. Die Ärzte suchen wohnungslose Menschen auf der Straße auf und versorgen sie bei Bedarf direkt in Ambulanzfahrzeugen oder - räumen.

Bielefeld ist nach Essen die zweite Stadt in NRW, die diese neue Form der Versorgung sichergestellt hat. "Die medizinische Behandlung Obdachloser muss dort stattfinden, wo sich diese vorwiegend aufhalten: an den Treffpunkten und Einrichtungen für wohnungslose Menschen", sagte NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU). Die Angebote müssten auf die Bedürfnisse der Betroffenen ausgerichtet sein und eine frühzeitige Erst- und Akutversorgung sicherstellen. Hier setzten die neuen Mobilen Dienste an.

Den Angaben zufolge sind Obdachlose besonderen gesundheitlichen Belastungen ausgesetzt. Sie leiden häufiger an Mehrfacherkrankungen, ihr Krankheitsverlauf ist oft schwerer, und selbst bei geringfügigen Erkrankungen dauert die Genesung meist länger. Statt rechtzeitig niedergelassene Ärzte aufzusuchen, landen wohnungslose Menschen häufig in stationären Notaufnahmen, weil sie eine hohe Hemmschwelle haben und nur im Notfall um Behandlung nachsuchen. Dies führt dem Ministerium zufolge nicht nur zu höheren Kosten, sondern auch dazu, dass in der Regel viel zu spät in den Krankheitsverlauf eingriffen werden kann.

Das neue Betreuungsmodell für Obdachlose trat Anfang 2006 in Kraft und wurde von der Landesregierung mit Krankenkassen, Kassenärztlichen Vereinigungen und Kommunen entwickelt. Minister Laumann hofft, dass nun weitere Kommunen solche Mobilen Dienste einrichten.