Augsburger Ausstellung widmet sich dem Phänomen des Stiftens

Mehr als reine Mildtätigkeit

Vor 500 Jahren entstand die Augsburger Fuggerei, die heute weltälteste Sozialsiedlung. Daher beleuchtet nun eine Schau der Stadt die Geschichte des Stiftens. Sie zeigt Spannendes und Kostbares aus einer religiösen Zeit.

Autor/in:
Christopher Beschnitt
Fuggerei in Augsburg / © Dieter Mayr (KNA)
Fuggerei in Augsburg / © Dieter Mayr ( KNA )

Warum ruft jemand eine Stiftung ins Leben? Da gibt es diverse Gründe, wie Heidrun Lange-Krach sagt. "Die eigene Familie soll in der Zukunft nicht vergessen werden, Herrscher spüren Verantwortung für ihre Untertanen, Visionäre wollen die Gesellschaft gestalten." Ein weiteres Motiv: "die Angst vor der Hölle."

Lange-Krach steht im Augsburger Maximilianmuseum. Sie ist die Kuratorin der neuen Sonderausstellung "Stiften gehen! Wie man aus Not eine Tugend macht". Die Schau läuft vom 28. August bis 28. November anlässlich des 500. Geburtstags der Augsburger Fuggerei, der ältesten Sozialsiedlung der Erde, die 1521 vom katholischen Kaufmann Jakob Fugger gestiftet wurde. Bis heute gilt für die rund 150 Fuggerei-Bewohner unter anderem: Sie müssen täglich drei Gebete sprechen - ein Vaterunser, ein Glaubensbekenntnis und ein Ave Maria.

Jede Menge Kunst- und Kulturschätze

Das zeigt, dass einst die Rollen von Stifter und "Bestifteten" keineswegs klar hierarchisch verteilt waren. Ersterer mochte zwar materiell keine Sorgen haben. Zugleich aber galt in der durch und durch religiös geprägten Zeit Fuggers: "Der Arme hat etwas zu geben, das der Reiche nicht hat", so Lange-Krach. "Die Nähe zu Gott. Das betont die Bibel immer wieder." Durch ihr Gebet sollten die Begünstigten für ihren Wohltäter sozusagen Fürsprache im Himmel leisten.

So etwas lernt man in der Ausstellung ebenso wie man erfährt, dass man vieles nicht erfährt. "Die im Dunkeln sieht man nicht", steht an einer ungewöhnlich gestalteten Vitrine - sie ist leer. Hinweise auf das alltägliche Leben einzelner, gerade "einfacher" Menschen hätten sich kaum erhalten, erklärt die Kuratorin. "Besonders von Tagelöhnern, Mägden und Knechten ist fast nichts bekannt."

Also zurück zu den Mächtigen. Was hatten sie beim Stiften zu beachten? "Da eine Stiftung dauerhaft angelegt ist, ist eine gute finanzielle Ausstattung grundlegend", sagt Lange-Krach. "Denn nicht das Stiftungskapital selbst, sondern nur die daraus erwirtschafteten Gewinne können für den Zweck eingesetzt werden." Oft sei eine Stiftung daher mit Ländereien oder Immobilien ausgestattet. "Diese kann man verpachten oder vermieten."

Das Maximilianmuseum bietet in seiner Schau nicht nur interessante Informationen auf, sondern zu deren Illustration auch jede Menge Kunst- und Kulturschätze.

Darunter sind wahre Kleinodien wie die originale Fuggerei-Stiftungsurkunde, Albrecht Dürers Holzschnitt "Die apokalyptischen Reiter" aus der Staatlichen Graphischen Sammlung München, das Ölgemälde "Die Werke der Barmherzigkeit" von Pieter Breughel dem Jüngeren aus dem Lissabonner Museu Nacional de Arte Antiga und das "Hochzeitsbildnis des Jakob Fugger und der Sibylle Artzt". Dieses Öl-auf-Lindenholz-Werk von Hans Burgkmair dem Älteren hat die Londoner Schroder Collection herausgegeben. "Danach soll es nie mehr verliehen werden, sondern als Dauerleihgabe ins Holbourne Museum nach Bath gehen", sagt Kuratorin Lange-Krach.

700 Jahre alte Thora-Handschrift

Auch eine jüdische Kostbarkeit wird gezeigt: eine über 700 Jahre alte, prächtig verzierte Thora-Handschrift aus dem Besitz einer Augsburger Familie. "Ursprung der christlichen Religion ist das Judentum", heißt es im Museum. "Dessen Fundament, die Thora, bildet in Form der fünf Bücher Mose auch einen Teil der christlichen Bibel. Auf das Judentum geht die Verpflichtung zur Zedakah (Barmherzigkeit) zurück."

Außer diesem Buch und den Bildern sind zum Beispiel historische Karten, Handwerkskunst aus Holz, Sandstein und Bronze sowie eiserne Hellebarden zu sehen. Überdies sind Medien- und Sinnesstationen eingerichtet, an denen es unter anderem etwas auf die Ohren gibt. So erklingen beispielsweise kirchliche Gesänge, denn auch solche wurden früher aus dem Wunsch nach Gottgefälligkeit heraus gestiftet.

Zum Schluss lädt die Schau buchstäblich zum Stiftengehen ein. Dazu präsentiert ein Bildschirm diverse Stiftungsstätten im Augsburger Stadtgebiet, die Fußtüchtige ablaufen können. Wer mag, kann zudem auf einen Zettel schreiben, was er oder sie gern stiften würde und warum.

Ob in den Antworten wohl noch die Höllenangst auftauchen wird?

 

Kirche der Fuggerei in Augsburg / © Dieter Mayr (KNA)
Kirche der Fuggerei in Augsburg / © Dieter Mayr ( KNA )
Quelle:
KNA