Mehr als 65.000 Personen wenden sich gegen Tomaten-Patent

"Nichts erfunden, sondern nur gefunden"

Eigentlich darf es auf Tiere und Pflanzen keine Patente geben. Doch das Europäische Patentamt scheint dies anders zu sehen. 65.000 Personen wehren sich jetzt gegen ein Tomaten-Patent, darunter Vertreter kirchlicher Verbände.

Autor/in:
Barbara Just
Tomatenernte / © Wojciech Pacewicz (dpa)
Tomatenernte / © Wojciech Pacewicz ( dpa )

Ob in der Kombination mit Mozzarella, als Soße über die Spagetti oder als Deko auf dem Teller - ohne Tomaten geht in der deutschen Küche mit Hang zum mediterranen Flair schon lange nichts mehr. Doch das rote Nachtschattengewächs ist in Gefahr. Obwohl es in Europa eigentlich keine Patente auf Tiere und Pflanzen geben darf, versuchen es Firmen wie Syngenta dennoch - und haben Erfolg. Das Europäische Patentamt (EPA) gewährte 2015 das Patent EP 1515600 auf Tomaten mit einem hohen Gehalt an besonders gesundheitsförderlichen Flavonolen.

Personen aus 20 europäischen Ländern

Dagegen ziehen nun Kritiker zu Felde mit dem größten Massen-Einspruch aller Zeiten, wie die Koalition "Keine Patente auf Saatgut!" am Montag in München ankündigte. Mehr als 65.000 Einzelpersonen aus 20 europäischen Ländern, darunter auch Vertreter kirchlicher Verbände, wollen dies nicht hinnehmen. Denn nicht nur die Pflanzen, die Pflanzensorten mit den entsprechenden Züchtungsmerkmalen, das Saatgut und die Früchte wären betroffen. Kritiker befürchten, dass irgendwann nur noch Großkonzerne das Monopol auf bestimmte Tomaten haben - vom Samen bis zur Frucht.

Dabei wurde für die Syngenta-Tomate "nichts erfunden, sondern nur gefunden", wie Iga Iznik vom österreichischen Verein Arche Noah zu verstehen gibt - mit einer rein konventionellen Züchtung. Indem Tomaten aus Peru und Chile mit europäischen gekreuzt wurden, war es gelungen, ihren Gehalt an Flavonolen zu erhöhen. Dieser gesundheitsförderliche Stoff, der laut Christoph Then von den Initiatoren angeblich auch krebsvorbeugend wirken soll, findet sich sonst in erster Linie unter der Schale, nun auch im Fruchtfleisch.

Bisher darf jeder Züchter als Ausgangsmaterial für seine Zwecke jede Sorte nutzen. Sollte das Patent bestehen bleiben, wären Tomaten mit hohem Flavonolen-Anteil davon ausgeschlossen. Tomaten, die für eine Züchtung verwendet werden sollen, müssten daher erst untersucht werden, gab Ulrike Behrendt vom Verein Kultursaat zu bedenken. Denn äußerlich sei es ihnen ja nicht anzusehen. Das werde auf Dauer teuer, sind sich ökologische Vertreter und ihre konventionell arbeitenden Kollegen einig.

Kritiker warnen vor Verengung der Artenvielfalt

Behrendt hat gleich ein weiteres Beispiel parat, nämlich die "long-life"-Tomate. Längst hat sich der Verbraucher an feste Tomaten gewöhnt, die auch nach wenigen Tagen im Kühlschrank nicht matschig werden. Zu verdanken sei diese Innovation der israelischen Landwirtschaft. Hätten deren kreative Köpfe ein Patent zugesprochen bekommen, gäbe es heute nur noch eine Sorte. Die Züchter dürften in ihrem Tun nicht eingeschränkt werden, mahnte Behrendt, schon allein, um auf künftige Krankheiten der Pflanzen reagieren zu können.

Eine Verengung der Artenvielfalt befürchtet auch Marlies Olberz vom FoodFirst Informations- & Aktions-Netzwerk (FIAN). Die Risiken für die nächsten Generationen wären verheerend. Schon allein aufgrund des Klimawandels sei die Menschheit künftig auf immer wieder andere Züchtungen angewiesen. Außerdem erinnerte sie daran, dass ein großer Teil der Weltbevölkerung nach wie vor von der Landwirtschaft lebe.

Diese Menschen bräuchten ungehinderten Zugang zum Saatgut. Das sei auch ein Menschenrecht. Doch je mehr Patente auf Saatgut vergeben würden, umso mehr landeten diese in der Hand von Konzernen.

Schon seit Jahren ist mit Patenten das große Geschäft zu machen. Ruth Tippe von der Initiative "Kein Patent auf Leben!" hat die Entwicklung verfolgt. Mittlerweile versuchten die Firmen in Europa nur noch selten, Pflanzenpatente in Verbindung mit Gentechnik anzumelden, weil die Bevölkerung dies ablehne. Dagegen setzten sie nun ihr Glück in konventionelle Züchtungen. Dem müsse ein Riegel vorgeschoben werden.

Gesetze zu ändern sei dafür gar nicht nötig. Im Europäischen Patentübereinkommen sei alles eindeutig geregelt. Die Politik müsse nur für die korrekte Anwendung der Vorschriften sorgen.

 


Quelle:
KNA