Mediziner und Juristen drängen auf Regelung - Keine Einigung in Sicht

Gesetz zu Patientenverfügungen weiter strittig

In der Debatte um ein Patientenverfügungsgesetz haben sich Experten einhellig für eine rechtliche Regelung ausgesprochen. Es sei dringend notwendig, Rechtssicherheit für Ärzte und Patienten zu schaffen, urteilten Mediziner und Juristen in einer öffentlichen Anhörung im Rechtsausschuss des Bundestags am Mittwoch in Berlin. 250 Abgeordnete sind noch unentschieden, falls keine Einigung im Bundestag zustande kommt, bleibt bisherige Regelung in Kraft.

 (DR)

Bei der Bewertung der drei vorliegenden Gesetzentwürfe maßen die Experten der ärztlichen Beratung bei der Abfassung einer Patientenverfügung hohe Bedeutung zu. Allerdings gingen die Meinungen in der Frage auseinander, ob eine Beratung durch einen Arzt als verpflichtende Voraussetzung für eine weitreichende Verbindlichkeit einer Patientenverfügung festgesetzt werden soll.

In den Gesetzentwürfen der Gruppe um Joachim Stünker (SPD) und um Wolfgang Zöller (CSU) wird eine Beratung als wünschenswert, aber nicht als zwingend genannt. Im Gesetzentwurf der Gruppe um Wolfgang Bosbach (CDU) wird hingegen zwischen einer einfachen und einer qualifizierten Patientenverfügung unterschieden. Letztere hat eine höhere Verbindlichkeit für den Arzt. Ihr muss eine ärztliche Beratung vorausgegangen sein.

Der Chefarzt der Klinik für Onkologie und Palliativmedizin am Ketteler Krankenhaus in Offenbach, Stephan Sahm, begrüßte die
Beratungspflicht: «Es gilt, Patienten vor womöglich unreflektiert abgefassten Willensbekundungen zu schützen.» Der Vizepräsident des Oberlandesgerichts München, Hans-Joachim Heßler, wies hingegen darauf hin, dass ein Patient, der bei vollem Bewusstsein sei und mit dem Arzt sprechen könne, auch die Möglichkeit habe, auf eine Beratung zu verzichten. Für eine Patientenverfügung als vorab verfasste Willenserklärungen dürften keine anderen Maßstäbe gelten.

Daneben wird im Bosbach-Entwurf für eine qualifizierte Patientenverfügung festgelegt, dass sie von einem Notar beurkundet werden muss und nicht älter als fünf Jahre sein darf. Werden in dieser Patientenverfügung lebenserhaltende Maßnahmen untersagt, gilt dies für den Arzt als verbindlich, auch wenn die Krankheit des Betroffenen noch keinen unumkehrbar tödlichen Verlauf angenommen.
Eine einfache Verfügung gilt nur in der Todesphase. Andernfalls muss ein Vormundschaftsgericht eingeschaltet werden.

Die anderen beiden vorliegenden Gesetzentwürfe sehen weniger strenge Regeln für Patientenverfügungen vor. Im Stünker-Entwurf gilt eine schriftliche Erklärung in jeder Krankheitsphase als verbindlich für den Arzt. Nur bei Meinungsverschiedenheiten zwischen Arzt und Betreuer über die weitere Behandlung muss ein Vormundschaftsgericht entscheiden. Im Zöller-Entwurf genügt auch eine mündliche Willenserklärung, die zu einem früheren Zeitpunkt gefallen ist.

Wie schon in den vergangenen Monaten in der politischen Debatte war die Reichweitenbegrenzung einer Patientenverfügung auch unter den Experten umstritten. Einige Mediziner waren der Meinung, dass sich der «unumkehrbar tödliche Verlauf» einer Krankheit medizinisch nicht klar definieren lasse. Der Medizinrechtler der Universität Bayreuth, Christian Jäger, war hingegen der Auffassung, dass Krankheitsbilder dieser Art so weit überschaubar seien, dass eine Patientenverfügung «uneingeschränkte Bindungswirkung enfalten» könne.

Die Mehrheit der Experten äußerte Zweifel an der Vorschrift im Bosbach-Entwurf, eine Patientenverfügung notariell beglaubigen zu lassen. Der Münchner Palliativmediziner Gian Domenico Borasio sprach von einer «unnötigen Schikane». Die Juristen Jäger und Wolfram Höfling (Köln), die den Bosbach-Entwurf insgesamt positiv bewerteten, betrachteten die Regelung als diskussionsbedürftig und fraglich.

Mehrere Experten äußerten grundsätzliche Einwände gegen den Zöller-Entwurf und kritisierten vor allem, dass für eine verbindliche Patientenverfügung nicht einmal die Schriftform verlangt werde.

Bislang hätten erst rund 350 Parlamentarier die Gesetzentwürfe unterschrieben, berichtete Wolfgang Bosbach. Er hielt es für möglich, dass kein Gesetzentwurf eine ausreichende Mehrheit bekommt. Dann würden weiterhin die Gerichte über die Verbindlichkeit von Patientenverfügungen entscheiden. Bosbach betonte, dass es sich bei dem Gesetz nicht um eine allein politische oder verfassungsrechtliche Frage handele, sondern um ein moralisch-ethisches Thema. Der Bundestag müsse dazu eine Regelung finden.

Vor der Anhörung schloss auch Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) nicht aus, dass diese Legislaturperiode ohne eine Regelung für Patientenverfügungen enden könne. Man müsse im Bundestag «sehr genau überlegen, ob man auf jeden Fall abstimmen sollte», sagte Zypries im Deutschlandfunk. Im Moment komme man mit der aktuellen Rechtslage durchaus zurecht.