Meditations-Apps als Wegweiser zur "analogen Stille"

Beruhigendes "Om" aus dem Smartphone

Meditations-Apps sind bereits weit verbreitet. Für manche mögen sie die Ruhe zurückbringen, die ihnen das Smartphone und der Stress im Alltag geraubt haben. Ordensleute bevorzugen dagegen weiterhin die analoge Meditation.

Autor/in:
Vera Rüttimann
Priester mit Smartphone  / © Harald Oppitz (KNA)
Priester mit Smartphone / © Harald Oppitz ( KNA )

Die Smartphone-App heißt Calm. Die Stimme, die über Kopfhörer ins Ohr dringt, nennt sich Tamara. Sie weist den Hörer auf ein umfangreiches Angebot hin. Beim Einstieg wird das Ziel der Meditation definiert: Möchte der User sein Beziehungsleben aufpeppen, endlich gut schlafen oder den Stress besser bewältigen? Burnout? Je nach Wunsch schlägt die App geeignete Meditationen vor, die von sanften Stimmen vorgetragen werden. Für meditatives Ambiente sorgen das Plätschern eines Bachs, Meeresrauschen oder flackerndes Kaminfeuer.

Und tatsächlich: Wer es ausprobiert, kann zur Ruhe kommen. Die Gedanken rattern nicht mehr im Kopf. Ausgerechnet das Smartphone, jenes Teufelsding, das den ganzen Tag fiept und surrt, sorgt für Ruhe und Entspannung. Meditations-Apps boomen. Digitalisierung und Globalisierung haben in den letzten Jahren viel Unruhe und Überforderung in den Alltag gebracht. Das ließ bei vielen die Sehnsucht nach Stille und einem Schutzraum für die Seele wachsen.

Apps für jede Gemütslage

Gewiefte Entwickler haben daraus ein Geschäftsmodell gemacht und programmieren Apps für jede Gemütslage. Diese werden millionenfach heruntergeladen von Menschen, denen die Zeit für Meditationskurse fehlt. Sie legen sich mit dem Smartphone ins Bett und folgen per Kopfhörer den Meditationsanleitungen.

Mittlerweile können sie aus einem großen Sortiment von Anwendungen wählen. Eine beliebte App heißt "7Mind". Sie bietet dem User Meditations-Kurse zu Themen wie Stress, Glück oder Beziehung. Andere Apps helfen beim Einschlafen und Runterkommen, wie der "Zazen Meditation Timer". Statt einer Stimme gibt es hier neun unterschiedliche Gongs, deren Klanglänge man einstellen kann.

"Stundenbuch-App"

Die App "Stop, Breathe and Think" wiederum stellt dem User Fragen zu seinem Befinden und spuckt dann die passende Meditation aus. Weitere beliebte Apps heißen Headspace, Breethe, BreakFree und Bambu.

Bei dem Trend mischen auch kirchliche Kreise mit – sofern man Gebet und Meditation als Verwandte betrachtet. Martin Iten, Mitglied der Kommission für Kommunikation und Öffentlichkeit der Schweizer Bischofskonferenz, nennt als Beispiel die "Stundenbuch-App", die gerade bei jungen Leuten sehr beliebt sei. "Darauf findet man das Stundengebet der Kirche. Auch ich selber nutze diese App täglich", sagt Iten.

Professionelle Hilfe suchen

Viele Meditations-Apps werden inzwischen auch in Lifestyle- oder Wirtschafts-Magazinen besprochen. Kritiker raten allerdings, Menschen mit ernsthaften psychischen Problemen wie schweren Depressionen oder Suizidabsichten sollten sich besser professionelle Hilfe suchen.

Manche Apps wollen jene belohnen, die am meisten meditieren oder die anspruchsvollsten Mediations-Programme absolvieren. Doch nach dem Leistungsprinzip funktioniere Meditation nicht, sagte die Luzerner Zen-Meisterin Anna Gamma kürzlich in Radio SRF 2 Kultur. Wer ohne Druck und falsche Erwartungen meditiert, macht damit andere Erfahrungen. In der Achtsamkeitsmeditation geht es darum, Gefühle und Gedanken anzunehmen und auch loszulassen, so dass sie nicht ständig kreisen. Höchstes Ziel der Meditation: das Göttliche persönlich erfahren.

Leute erreichen

Dieser Gedanke ist auch Irene Gassmann, Priorin des Klosters Fahr im Limmattal, nicht fremd – allerdings ohne App. "Ich habe zwar ein I-Phone, aber habe noch nie Lust verspürt, damit zu meditieren. Ich erlebe die Mediation lieber real im Kloster." Dass Leute ihre Sehnsucht nach Ruhe und Transzendenz nicht mehr nur in Kirchen und Klöstern zu stillen versuchen, findet Gassmann keinesfalls irritierend. Im Gegenteil: Neuen Kommunikationstechniken gegenüber zeigt sie sich sehr offen. "Früher hat man Pergament beschrieben, um das Wort weiterzugeben. Heute sind es eben neue Techniken wie das Smartphone und Apps", so die bekannte Ordensfrau.

Die Menschen, betont sie, suchen immer neue Weg für ihre spirituellen Bedürfnisse. "Diese Apps sind ein Kommunikationsmittel, um Leute zu erreichen. Die Kirche kann von ihnen nur lernen", betont die Priorin. Sie geht noch einen Schritt weiter: "Diese Meditations-Apps sind eine Chance für Klöster. Dadurch können Leute den Weg finden zur analogen Meditation und zur echten Stille."

 

Quelle:
KNA
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