Vor 76 Jahren befreiten sowjetische Truppen Auschwitz

Massenmord im Fließbandverfahren

Auschwitz war die größte Menschenvernichtungsanlage aller Zeiten. Vor 76 Jahren wurde das KZ von den Sowjets befreit. Seit 1996 begeht Deutschland am 27. Januar den Holocaust-Gedenktag. In diesem Jahr anders als zuletzt.

Autor/in:
Christoph Arens
Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau / © Rolf E. Staerk (shutterstock)
Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau / © Rolf E. Staerk ( shutterstock )

Auschwitz, das ist der furchtbarste Name, den die deutsche Geschichte kennt. Was zwischen 1940 und 1945 in der größten Menschenvernichtungsanlage der Nazis passierte, hatte die Welt bis dahin nicht gesehen: den industrialisierten Massenmord im Fließbandverfahren.

Am 27. Januar 1945 befreiten sowjetische Soldaten die letzten Häftlinge. Seit 1996 begeht die Bundesrepublik an diesem Tag den Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus. 2006 wurde er auf Beschluss der Vereinten Nationen auch weltweit in den Kalender übernommen.

Massenmord in Auschwitz

Bis zu anderthalb Millionen Menschen wurden im Stammlager Auschwitz und den Nebenlagern Birkenau und Monowitz sowie weiteren Nebenlagern ermordet: meist Juden, aber auch Sinti und Roma, Polen oder sowjetische Gefangene. Als sich die Rote Armee im Januar 1945 dem 60 Kilometer von Krakau entfernt gelegenen Lager näherte, hatte die SS bereits versucht, die Spuren der Vernichtung zu beseitigen.

Doch das misslang: Die Sowjets fanden unter dem Schnee nicht nur die Spuren der Krematorien, sondern auch noch sechs Warenlager, in denen sich die Habseligkeiten der Häftlinge stapelten: fast 350.000 Anzüge von Männern und 840.000 Frauenkleider - sowie Berge von Frauenhaar und Zahngold.

Anfang 1940 hatte der "Reichsführer SS", Heinrich Himmler, in dem verkehrstechnisch gut angebundenen polnischen Städtchen Oswiecim ein Lager für polnische Widerstandskämpfer vorgesehen. Doch der Ehrgeiz deutscher Industrieller trieb die SS dazu, aus den Kasernen der polnischen Armee eine Rüstungszentrale aufzubauen: Die IG Farben wollte ihre Kunstkautschuk-Produktion durch ein neues Buna-Werk erhöhen - und der SS kam das gelegen, um sich eine Vormachtstellung in der deutschen Wirtschaft zu sichern.

Auschwitz war nach Dachau, Sachsenhausen, Buchenwald, Flossenbürg, Mauthausen und dem Frauenlager Ravensbrück das siebte KZ der Nazis.

Für ein paar Mark pro Tag wurden die Häftlinge an die IG Farben "vermietet" - der zynische Schriftzug "Arbeit macht frei" stand über dem Eingangstor. Fortan kamen immer mehr Gefangene: In das schon für rund 8.000 Häftlinge viel zu enge Stammlager wurden bis zu 20.000 Häftlinge gleichzeitig gepfercht. Nach dem Überfall auf die Sowjetunion entstand im wenige Kilometer entfernten Birkenau ein eigenes Kriegsgefangenenlager, das für 100.000 Häftlinge vorgesehen war.

Die Menschen starben massenhaft an Typhus, Ruhr, Cholera, Misshandlungen und willkürlichen Tötungen. Im Block 10 des Stammlagers wurden Häftlinge Opfer medizinischer Menschenversuche von SS-Ärzten, darunter Josef Mengele. Block 11 diente als Folter- und Strafblock. An der berüchtigten "Schwarzen Wand" erschoss die SS tausende Häftlinge.

Eine Todesfabrik der Nazis

Zur Todesfabrik entwickelte sich Auschwitz endgültig ab Herbst 1941, als Hitler mit Blick auf den stockenden Russland-Feldzug und den absehbaren Kriegseintritt der USA immer neue Drohungen gegen die Juden ausstieß. Ab Juli 1942 wurde die "Selektion an der Rampe" eingeführt. Direkt aus den Güterzügen wurden die zur Vernichtung ausgewählten Menschen in die Gaskammern geführt und mit Zyklon B ermordet. Zehntausende kamen noch im Januar 1945 auf Todesmärschen ums Leben.

"Wohl war dieser Befehl etwas Ungewöhnliches, Ungeheuerliches", schrieb der 1947 hingerichtete Lagerkommandant Rudolf Höß angesichts der Himmler-Anweisung, Auschwitz in eine Menschenvernichtungsmaschine zu verwandeln. "Doch die Begründung ließ mir diesen Vernichtungsvorgang richtig erscheinen. Ich stellte damals keine Überlegungen an - ich hatte den Befehl bekommen, und ich hatte ihn durchzuführen." Ähnlich argumentierten viele derjenigen, die in Auschwitz eingesetzt waren. 1944 taten über 3.300 SS-Angehörige dort Dienst, dazu noch Aufseherinnen, Schreibkräfte oder Krankenschwestern.

In der unmittelbaren Nachkriegszeit verdrängten die Deutschen das Geschehen. Auch die meisten Historiker klammerten die Ereignisse in den Lagern zunächst aus. Selbst die fünf Frankfurter Auschwitz-Prozesse in den 1960er und 70er Jahren konnten die Aufmerksamkeit nur wenig erhöhen. Erst die Studentenbewegung und eine scheinbar triviale amerikanische Fernsehserie veränderten die Situation: Mit "Holocaust" wurde Ende der 70er Jahre lange Verschüttetes freigelegt.


Hinter Stacheldraht: Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau / © Giorgi L (shutterstock)
Hinter Stacheldraht: Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau / © Giorgi L ( shutterstock )

Ein Überlebender nimmt an der Gedenkfeier zum 75. Jahrestag der Befreiung des KZ Auschwitz teil / © Czarek Sokolowski (dpa)
Ein Überlebender nimmt an der Gedenkfeier zum 75. Jahrestag der Befreiung des KZ Auschwitz teil / © Czarek Sokolowski ( dpa )

Häftlinge des Konzentrationslagers Auschwitz / © Novosti (epd)
Häftlinge des Konzentrationslagers Auschwitz / © Novosti ( epd )
Quelle:
KNA
Mehr zum Thema