Mary Prema Pierick leitet die Schwestern von Kalkutta

Eine Westfälin beerbt Mutter Teresa

Bischöfe gratulieren. Eine Deutsche tritt das Erbe von Mutter Teresa an: Die "Missionarinnen der Nächstenliebe" im indischen Kalkutta bestimmten die aus Westfalen stammende Schwester Mary Prema Pierick zu ihrer neuen Generaloberin.

Autor/in:
Burkhard Jürgens
 (DR)

Als Nachfolgerin der seliggesprochenen Ordensgründerin und Nobelpreisträgerin koordiniert die 54-Jährige künftig den Dienst von rund 5.100 Schwestern, die sich in Elendsvierteln aller Welt um die Ärmsten der Armen kümmern. Am Donnerstag haben die Deutschen Bischöfe Pierick zur neuen Aufgabe beglückwünscht. Durch Mutter Teresa wurde der schlichte weiße Sari mit den blauen Streifen an der Borte zum Markenzeichen der Nächstenliebe: Als Agnes Bojaxhiu 1910 in Skopje geboren, hatte sich die spätere Ordensgründerin mit 18 Jahren als Missionsschwester nach Indien begeben und dort als Lehrerin gewirkt. Tief betroffen vom Elend in den Slums von Kalkutta verließ sie 1948 ihr Kloster und widmete sich mit Gefährtinnen ausschließlich dem Dienst an Verelendeten, Findelkindern und Sterbenden auf den Straßen. Immer mehr junge Frauen, zunächst in Indien, später auf allen Kontinenten, schlossen sich ihren «Missionarinnen der Nächstenliebe» an.

Als Mutter Teresa 1997 starb, geehrt mit dem Friedensnobelpreis, hinterließ der «Engel von Kalkutta» einen Orden mit 3.900 Schwestern und mehr als 900 Anwärterinnen in fast 600 Häusern. Nicht nur bei ihren eigenen Anhängerinnen stand die zierliche Frau mit dem runzligen Gesicht da bereits im Ruf der Heiligkeit. Papst Johannes Paul II. (1978-2005) sprach sie am 19. Oktober 2003 selig. Das Verfahren war das bislang kürzeste der Kirchengeschichte.

So bekannt die Schwestern sind, so sehr bleiben sie im Hintergrund.
Auf Anfragen nach einer ausführlichere Biografie der neuen Leiterin zeigt sich die Ordensleitung verschlossen. Public Relations sind nicht die Sache der Frauen, die sich ganz den Armen verschrieben haben. Dabei ist Schwester Prema im persönlichen Umgang eine offene, verbindliche Frau, solide wie der ganze Menschenschlag im westfälischen Reken, wo sie unter dem bürgerlichen Namen Mechthild Pierick geboren wurde.

Es ist ein typisches Dorf im westlichen Münsterland: Man lebt von Landwirtschaft, den nahen Ballungszentren und vom Tiefkühlkost-Hersteller Iglo, der am Ortsrand eine Fabrik unterhält. Kirche und Schützenvereine prägen das Gesellschaftsleben; die alte Marienkapelle zieht eine erfreuliche Anzahl Pilger an. Aus dieser westfälischen Provinz ging Pierick zunächst für ihren Orden nach Italien. Lange Jahre war sie in Rom und Neapel tätig. Mutter Teresa persönlich berief sie schließlich in die Ordenszentrale nach Kalkutta. In Indien nennt man sie nur Schwester Prema; der Name bedeutet «Liebe». Als Mutter Teresa starb und Schwester Nirmala Joschi die Nachfolge antrat, erhielt schließlich auch Schwester Prema gewichtigere Aufgaben. In den vergangenen vier Jahren gehörte sie dem Leitungskreis der Kongregation an.

Eigentlich wollten die 150 Wahlfrauen der seit 1. Februar tagenden Generalversammlung der bisherigen Ordensleiterin eine dritte Amtszeit antragen. Doch die 75-jährige Nirmala bat mit Blick auf ihre Gesundheit um Entpflichtung. Nun liegt es an Schwester Prema, den stetig wachsenden Orden mit inzwischen 757 Niederlassungen weiterzuführen. Auch der Tod der charismatischen Gründerin hat langfristig keine Trend-Umkehr bei den Eintrittszahlen bewirkt. Von einer Rezession, so die Ordensleitung, könne keine Rede sein.

Schwester Prema Pierick wird die Gemeinschaft im nächsten Jahr durch das Jubiläum des 100. Geburtstags von Mutter Teresa führen. Und möglicherweise fällt in ihre Amtszeit auch die ersehnte Heiligsprechung des «Engels von Kalkutta». Die notwendigen Akten für die römische Heiligsprechungskongregation liegen längst bereit. Das einzige, was laut Pater Brian Kolodiejchuk, dem Anwalt des Verfahrens, fehlt, ist ein Wunder.

Bischöfe gratulieren
Die Deutsche Bischofskonferenz hat Mary Prema Pierick zu ihrer Wahl gratuliert. Der Konferenz-Vorsitzende, Erzbischof Robert Zollitsch, erklärte am Donnerstag in Bonn, die Missionarinnen der Nächstenliebe trügen mit ihrer Arbeit dazu bei, das Leben vieler verarmter, kranker, misshandelter und vernachlässigter Menschen froher und lebenswerter zu machen. «Sie geben Gottes Liebe durch Ihre selbstlose Tätigkeit weltweit ein Gesicht», so der Freiburger Erzbischof. «Lassen Sie sich diesen Mut angesichts des Elends in der Welt niemals nehmen.»