Morgenimpuls mit Schwester Katharina

Martin - Nicht vom hohen Ross herab ein Stück abgeben

Schwester Katharina erinnert in ihrem Morgenimpuls an den Heiligen St. Martin, der trotz der Kälte seinen Mantel mit einem armen Bettler geteilt hat.

Kopf der Martinsstatue in Tours / © Alexander Brüggemann (KNA)
Kopf der Martinsstatue in Tours / © Alexander Brüggemann ( KNA )

Viele von uns sind als Kinder mit Laternen durch die Straßen gezogen, haben Martinslieder gesungen und beim Martinsspiel zugeschaut, wie der Mantel geteilt wird. Danach mit Begeisterung die Martinshörnchen, Stutenkerle oder Martinsbrezeln gegessen.

Ich kann mich erinnern, dass es dann aber zu Hause ein ziemliches Theater gab. Denn Martin hat doch geteilt und das hätte ich mit meinem Martinshörnchen auch tun sollen und dem kleinen Bruder etwas davon abgeben.

Genau das ist der Haken an diesen schönen Bräuchen: Singen, Spielen und Geschenke bekommen ist einfach schön. Aber schaffen wir es, die Geschichten hinter den Bräuchen, die Mahnung hinter dem schönen Spiel, die Erinnerung hinter dem Genuss von Gänsebraten weiterzugeben?

Unsere Kirche in Olpe ist die Martinuskirche. Am Rathaus der Stadt ist eine große Abbildung vom mantelteilenden Offizier, sogar an manchen Häusern ist in einer feinen Schieferarbeit das Mantelteilen dargestellt. Aber am besten gefällt mir eine Skulptur, die an einem Weg steht. Man sieht den Bettler fast nackt am Weg knien und den Reiter anflehen. Martin ist unter seinem Mantel auch nackt, trotzdem schneidet er seinen warmen Mantel durch und teilt ihn mit dem Bettler. Er teilt aber nicht nur den Mantel, sondern auch die Nacktheit darunter und wird wie der Bettler ein wenig vom Mantelteil gewärmt, aber dennoch frieren beide.

Er hat also nicht nur vom hohen Ross herab ein Stück abgegeben, sondern mit dem Bedürftigen Kälte und Nacktheit und einen Teil des wärmenden Mantels geteilt.

Seit vielen Jahren gefällt mir die Idee gut, den "Mantel" mit denen zu teilen, die sich keine warme Jacke oder keinen dicken Mantel leisten können. Viele Menschen bringen gerade jetzt noch gut erhaltene, warme Kleidungsstücke zu Obdachlosen und in die Kleiderkammer - Mantelteilen ganz konkret.

In Erfurt ist der heilige Martin der Stadtpatron, aber auch Martin Luther, der große Reformator, hat in der Stadt gelebt. Dort wird seit vielen Jahrzehnten am Vorabend ein großes ökumenisches Fest auf den Domstufen gefeiert: Martin als Versöhner und Mittler der guten Nachricht Gottes an alle Menschen. 

Wenn mir an diesem Martinstag wieder deutlich wird, dass Martin als Offizier im kaiserlichen Heer die sichere Karriere aufgegeben hat, um diesem Christus nachzufolgen, den er im armen Bettler erkannt hat, dann ist auch in diesem erneut schwierigen Corona-Herbst die Feier des Martinstages gelungen.


Quelle:
DR