Margot Käßmann predigt gegen Gewalt und Terror

"Mit Gottvertrauen gegen das Böse in der Welt"

Die ehemalige hannoversche Landesbischöfin Margot Käßmann hat die Menschen dazu ermutigt, mit mehr Gottvertrauen gegen das Böse in der Welt anzugehen. Sie bezog sich auch auf die IS-Kämpfer.

Margot Käßmann (KNA)
Margot Käßmann / ( KNA )

Wer an die Überwindung des Bösen glaube, gelte angesichts von Gewalt und Terror als naiv, sagte die Reformationsbotschafterin der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) am Sonntag in der Marktkirche in Hannover: "Allein die Bilder der sogenannten IS-Kämpfer, die irrsinnig Menschen ermorden und Kulturdenkmäler zerstören, zeigen die Fratze des Bösen." Sie vermittelten das Gefühl, dem Teufel direkt ins Gesicht zu schauen.

Frieden werde aber auch nicht entstehen, wenn alle der geschätzt mehr als 50.000 IS-Kämpfer erschossen würden, sagte Käßmann. "Wie wird Friede - das ist die große Frage und nicht erst seit heute!" Die Theologin betonte, dass sie auch keine besseren Antworten habe als andere. Ihr imponiere aber die biblische Wegweisung, das Böse durch das Gute zu überwinden: "Immer wieder wird klar, dass die Herzen und Überzeugungen der Menschen berührt, ja gewonnen werden müssen, wenn sich etwas ändern soll."

Auch in Deutschland ist das Böse greifbar gewesen

Gerade die Deutschen dürften nicht vergessen, wie verführbar der Mensch zum Bösen sei, unterstrich die frühere EKD-Ratsvorsitzende. Sie zitierte eine Studie der Gütersloher Bertelsmann Stiftung, derzufolge 81 Prozent der Deutschen die Geschichte der Judenverfolgung "hinter sich lassen" möchten: "Wohl gemerkt, nur 70 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz." Auch hier sei das Böse greifbar gewesen, sagte Käßmann. "Da wurden Menschen brutal gefoltert, vergast, sie verhungerten vor dem Angesicht von Deutschen, die sich zu den Gebildeten, zur Kulturnation von Schiller und Goethe zählten."

Es dauere offensichtlich lange, aus Erfahrungen zu lernen und Wege zum Guten, zur Versöhnung, zur Nächstenliebe zu finden, ergänzte die Theologin. Dazu seien allerorten offene und kontroverse Gespräche mit Andersdenkenden nötig: "Sind wir frei genug, uns einzulassen auf Gespräche mit Menschen anderen Glaubens um der existenziellen Fragen wegen? Stehen wir auf gegen Menschenverachtung und für die Würde der Flüchtlinge?" Dafür brauche es Gottvertrauen: "Treten wir an gegen das Böse - mit der Verteidigung des Guten."

Präses Kurschus warnt vor Relativierung religiös motivierter Gewalt

Auch die Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen, Annette Kurschus, hat religiös motivierte Ausgrenzung und Gewalt verurteilt. In den Medien sei gegenwärtig zu sehen, "wie Religion mit brutalen Alleinherrschaftsansprüchen Schlimmes anrichtet", sagte Kurschus am Sonntag in einer Predigt in Bielefeld. Der Hinweis, Verbrechen im Irak und in Syrien oder die Terrorangriffe in Paris und Kopenhagen hätten mit recht verstandener Religion nichts zu tun, klinge aufrichtig, aber zugleich hilflos. Denn Religion und Glaube seien immer zwiespältig. Dort, wo die Grenze zwischen Gott und Mensch nicht anerkannt werde, könne Gewalt drohen im Namen eines instrumentalisierten Gottes, erklärte die Präses.

"Nicht selten waren es die höchsten Motive und ehrwürdigsten Traditionen der Religionen, die tiefsten Leid verursachten, barbarische Taten hervorbrachten und hohe Leichenberge schufen", sagte Kurschus weiter. Auch christlich motivierte Aggression finde statt. Als Beispiel nannte Kurschus den von der orthodoxen Kirche befeuerten russischen Nationalismus, die Verfolgung von Homosexuellen in vielen Staaten Afrikas oder den Irakkrieg vom ehemaligen amerikanischen Präsidenten George W. Bush, den der evangelikale "Bible Belt" der Südstaaten in den USA als gottgewollt ansah.

In jeder Religion sei das Potenzial zur Verkehrung ins Gegenteil enthalten. Die menschliche Versuchung, Gott nicht Gott sein zu lassen, ihn vor den eigenen Überzeugungskarren zu spannen und Macht in seinem Namen auszuüben, sei der Schatten des Glaubens, erklärte Kurschus. "Die Versuchung, sich als Gotteskind zu beweisen und gerade so misszuverstehen. Gottes Nähe zu missbrauchen." Das zu hinterfragen, geschehe durch ständige Neuinterpretation der Heiligen Schriften. "Eine große, anstrengende Mühe. Sie lohnt sich", betonte die leitende Theologin von rund 2,4 Millionen evangelischen Christen.


Quelle:
epd