Manche Christen in Mexiko-Stadt rebellieren leise gegen das Gottesdienstverbot

Beten trotz Schweinegrippe

Mit dem Schweinegrippe-Notstand mussten in Mexiko-Stadt auch die Kirchen ihre Pforten schließen. Die Mehrheit der Geistlichen und Gläubigen findet sich damit ab. Doch sowohl unter den Katholiken als auch unter der evangelischen Minderheit gibt es einige wenige, die leise rebellieren. Sie wollen gerade in Krisenzeiten nicht auf die spirituelle Erbauung im Gottesdienst verzichten.

Autor/in:
Matthias Knecht
 (DR)

Die Kathedrale in Mexiko-Stadt ist das Zentrum der Katholiken, die 90 Prozent der 20 Millionen Einwohner im Großraum der Metropole ausmachen. Ihre mächtigen Türme überragen den benachbarten Nationalpalast ebenso wie das Rathaus gegenüber. Woche für Woche kommen Tausende von Gläubigen und Touristen. Doch am vergangenen Sonntag geschah Unerhörtes: Das Portal war geschlossen, während drinnen Kardinal Norberto Rivera vor leeren Bänken die Messe zelebrierte.

Auch am 3. Mai wird sich die gespenstische Szene wiederholen. Denn die Schweinegrippe geht um. Die Behörden verboten den Besuch aller Veranstaltungen, bei denen sich Menschen infizieren könnten. Geschlossen sind Fußballstadien, Schulen, Universitäten, Kinos, Bars, Restaurants - und eben auch die Gotteshäuser. Die katholische Kirche erteilte vorsorglich Dispens. Wer die Messe im Radio verfolge, genüge seiner Christenpflicht, teilte der Sprecher der Erzdiözese mit.

Nicht alle Gläubigen wollen sich mit dem Trost per Radio begnügen. Stillen Widerstand gegen die allgemeine Krisenstimmung praktiziert Ralf Hirsch, der deutschsprachige katholische Pfarrer in Mexiko-Stadt. «Es gibt ein großes Bedürfnis nach Normalität», berichtet er. Darum setzt Hirsch auch die Gottesdienste fort und spendet die Kommunion allen Bedenken zum Trotz: «Das ist spirituelle Notwendigkeit.» Das Interesse der Gläubigen sei groß. Seine Messen seien derzeit nur geringfügig weniger besucht als in normalen Zeiten.

Der Priester betont, dass er gleichwohl nicht gegen die Epidemie-Vorschriften verstoße. Denn untersagt sind lediglich Ansammlungen mit mehr als 50 Personen. Diese Zahl erreicht Hirsch in der Regel nicht, zu seinem Bedauern. So will der Priester gerade in Krisenzeiten an Messe und Abendmahl festhalten. «Solange mir der Staat oder mein Gewissen das Abendmahl nicht verbietet, werde ich daran festhalten», erklärt er.

Mexikos Notstandsmaßnahmen treffen auch die evangelischen Christen, die sich auf Dutzende Einzelkirchen aufteilen. Die evangelische Gemeinde deutscher Sprache sagte ihren Gottesdienst am 3. Mai in der Heilig-Geist-Kirche im Stadtteil Mixcoac ab. 98 Prozent der protestantischen Gotteshäuser haben seit Sonntag alle Aktivitäten eingestellt, berichtet der Anwalt Oscar Moha, der christliche Minderheiten vertritt: «Es ist das erste Mal in der neueren Geschichte, dass die evangelischen Kirchen ihre sonntäglichen Gottesdienste nicht feiern konnten.»

Bei den Protestanten dominiert die Einsicht in das Notwendige.
«Wir gehorchen den Anweisungen, das ist besser», erklärt Esther Leon, Pastorin der lutherischen Kirche in Mexiko-Stadt: «Wir haben die Kirchen geschlossen und wir versammeln uns auch nicht. Stattdessen bleiben wir daheim, beten, und hoffen, dass der Herr uns schützt.»

Einige wenige handeln anders. So beschloss die methodistische Kirche, die Gotteshäuser offen zu halten. Erlaubt sei aber nur die Versammlung in kleinen Gruppen oder die «individuelle spirituelle Begleitung», sagt der Präsident der methodistischen Bischofskonferenz, Moises Valderrama. Gottesdienste hingegen seien ausgeschlossen, «aus Respekt vor dem Leben anderer».

Eine Kongregation versucht sich nun in Internet-Gottesdiensten, was in Mexiko noch ungewöhnlich ist. Valderrama sieht in der Epidemie darum auch die Chance, den «technologischen Rückstand» der Kirchen aufzuholen und «kreativere Formen des Gottesdienstes» zu entwickeln. Selbstbewusst fügt er hinzu: «Wir ermuntern auch andere Kirchen, Gottesdienste per Web anzubieten.»