DOMRADIO.DE: Welchen Stellenwert hat die Maccabiah Sportveranstaltung für Jüdinnen und Juden weltweit?

Alon Meyer (Präsident Makkabi Deutschland): Einen sehr hohen. Viele trainieren über Jahre, um an diesem sportlichen Highlight teilzunehmen. Besonders für Jüdinnen und Juden in entlegenen Regionen mit kleinen Gemeinden bedeutet die Maccabiah unglaublich viel. Sie freuen sich auf dieses Ereignis, das in diesem Jahr leider auf das nächste Jahr verschoben werden musste.
DOMRADIO.DE: Eigentlich hätte die Maccabiah im Juli stattfinden sollen. Wie kurzfristig wurde die Entscheidung zur Absage getroffen?
Meyer: Wie man so schön sagt: Die Hoffnung stirbt zuletzt. Erst am Montag dieser Woche wurde endgültig entschieden, dass die Spiele unter den aktuellen Bedingungen nicht stattfinden können. Die Lage war einfach nicht vorhersehbar. Für die deutsche Delegation – eine der größten – war alles vorbereitet. Das Pre-Camp stand. Die Planung war abgeschlossen. Wir haben uns sehr gefreut, aber seit Montag ist klar: Alles wird verschoben.
DOMRADIO.DE: Wenn wir auf die Verschiebung in das Jahr 2026 blicken: Wie groß ist die Enttäuschung bei den Sportlerinnen und Sportlern?
Meyer: Die Enttäuschung ist groß, keine Frage, aber sie steht in keinem Verhältnis zu dem, was wir gerade erleben, was Juden und Jüdinnen weltweit erleben, die Freunde oder Familie in Israel haben. Im Verhältnis dazu, ist die Absage Maccabiahs ein Kinderspiel. Vor diesem Hintergrund war die Entscheidung folgerichtig. Unsere Verantwortung für die Sicherheit der Sportlerinnen und Sportler ist entscheidend.
Aber ja, die Absage ist traurig. Aber das, was aktuell im Nahen Osten geschieht – auf allen Seiten – ist ungleich schlimmer. Wir müssen diese Disbalance, die es bei uns vor allem in der westlichen Welt gibt, endlich korrigieren.
DOMRADIO.DE: Laut der Website der Veranstalter sollte diese Maccabiah deutlich im Zeichen des 7. Oktober stehen. Die Spiele sollten die Bedeutung des Zusammenhalts der jüdischen Community weltweit unterstreichen. Auch überlebende Geiseln und das israelische Militär sollten unter dem Motto More Than Ever einbezogen werden. Sollte eine solche Veranstaltung nicht eher den Sport in den Mittelpunkt stellen als politische Botschaften?
Meyer: Natürlich steht der Sport im Zentrum. Das war immer so und wird auch so bleiben. Aber Sport ist nie völlig unpolitisch. Wir dürfen uns dieser Tatsache nicht verschließen. Wenn wir als westliche Welt versuchen, Politik und Gesellschaft vollständig aus dem Sport herauszuhalten, überlassen wir das Feld den Radikalen. Dann passiert genau das, was wir verhindern wollen, nämlich dass extremistische Gruppen im Umfeld des Sports immer lauter werden, größere Mehrheiten bilden und mehr Einfluss gewinnen. Wir müssen den Sport nutzen, um unsere Gesellschaftsnormen positiv zu verbreiten, um gesellschaftliche Werte zu vermitteln, um unsere Mitglieder, Sportler und Zuschauer zu stärken, zu sensibilisieren und für demokratische Prinzipien zu begeistern.
DOMRADIO.DE: Wäre es denkbar, die Maccabiah im nächsten Jahr in einem anderen Land auszurichten, falls sich die sicherheitspolitische Lage in Israel nicht entspannt?
Meyer: Nein, das ist keine Option und wird auch nie eine sein. Das wäre eine Kapitulation. Wenn wir das aufgeben, geben wir auch den Staat Israel und unsere gemeinsamen Werte auf.
DOMRADIO.DE: In Mannheim sollte nächste Woche die "Meile der Religionen" stattfinden. Die jüdische Gemeinde hat jedoch aus Sorge vor Protesten abgesagt. Nehmen Sie verstärkt wahr, dass sich Kritik an Israel zunehmend gegen jüdische Initiativen richtet? Kommt das auch bei den Makkabi-Vereinen an?
Meyer: Ja und noch viel schlimmer: Inzwischen reicht es oft schon, als "jüdisch" wahrgenommen zu werden. Jeder Jude, der in der Diaspora mit Kippa auf die Straße geht, wird schnell mit dem Staat Israel oder sogar direkt mit der israelischen Regierung gleichgesetzt – und damit in Gesamthaft genommen. Das ist inakzeptabel. Es wäre so, als würde man Sie persönlich für die Politik von Donald Trump verantwortlich machen. Das müssen wir klar benennen und entschieden dagegenhalten. Wenn wir - bildlich gesprochen - nicht die rote Karte zeigen, wird die Situation weiter eskalieren. Mannheim wäre dann nur der Anfang. Schon direkt nach dem 7. Oktober haben mehrere Makkabi-Ortsvereine ihren Spiel- und Trainingsbetrieb vollständig eingestellt. Wollen wir das wirklich? Wollen wir, dass sich immer mehr Menschen zurückziehen?
Übrigens: In unserem Verein Makkabi Frankfurt – einer der größten der Stadt – sind mehr Muslime als Juden aktiv. Auch sie tragen das Trikot mit dem stilisierten Davidstern. Und auch sie haben Angst, zum Training zu kommen oder am Spielbetrieb teilzunehmen, weil sie jüdisch gelesen werden. Das darf nicht sein!
DOMRADIO.DE: Zum Schluss: Was hören Sie aus Israel? Sie haben enge Verbindungen dorthin.
Meyer: Nicht nur Verbindungen meine Familie lebt dort. Mein Bruder ist vor Jahren nach Israel ausgewandert, hat dort eine Familie gegründet. Auch meine Cousins, Cousinen, Tanten und Onkel leben dort. Wir sind in ständigem Kontakt wie es ihnen geht, wann sie wieder in den Bunker müssen, wann sie herauskommen können. Es ist ein schrecklicher Zustand.
Ganz persönlich bekomme ich Gänsehaut, wenn ich sehe, dass eine kleine Armee wie die IDF im Moment den gesamten Westen verteidigt. Denn niemand von uns möchte ein Mullah-Regime mit Atomwaffen erleben. Diese Gefahr müssen wir erkennen und wir sollten dankbar sein, dass die IDF diese Aufgabe übernimmt. Für uns alle.
Das Interview führte Elena Hong.