Mailands Erzbischof übt sich nach Nichtbeachtung in Humor

Christliche Demut ist, wenn man trotzdem lacht

Ziemlich konsequent bevorzugt Papst Franziskus bei Kardinalsernennungen Oberhirten mit kleinen Herden und ohne kirchliche Machtperspektive. Inzwischen ist diese Politik auch Gegenstand von klerikalen Witzen.

Autor/in:
Ludwig Ring-Eifel
Erzbischof Mario Enrico Delpini / © Stefano Mariga/Romano Siciliani (KNA)
Erzbischof Mario Enrico Delpini / © Stefano Mariga/Romano Siciliani ( KNA )

"Ein bisschen Demütigung ab und zu tut Ihnen ganz gut!" Mit diesen Worten soll einst Papst Franziskus die verbitterte Reaktion eines deutschen Monsignore kommentiert haben, als dieser sich nach einer brüsken Ausladung durch das Kirchenoberhaupt bei ihm beklagte.

Einfach so und ganz ohne Schuld ins Seitenaus gestellt worden zu sein, das habe ihm schon weh getan, so damals sinngemäß die Klage des Deutschen. Worauf der Papst die Wunde mit dem obigen Ausspruch abermals vertiefte.

Vom Pontifex ignoriert

Dass die Demütigung machtbewusster Monsignori zu den schärfsten Waffen des Papstes gegen den Klerikalismus und die "geistliche Eitelkeit" gehört, musste nun auch der Erzbischof von Mailand, Mario Enrico Delpini (71) erfahren. Schon länger weiß er, wie es sich anfühlt, vom Pontifex ignoriert zu werden. Schon drei Mal hatte Franziskus ihn bei Kardinalsernennungs-Runden übergangen. Und das war weder für Delpini noch für das Erzbistum Mailand leicht zu verkraften.

Papst Franziskus während des Konsistoriums am 27. August 2022 im Vatikan / © Vatican Media/Romano Siciliani (KNA)
Papst Franziskus während des Konsistoriums am 27. August 2022 im Vatikan / © Vatican Media/Romano Siciliani ( KNA )

Denn das stolze Mailand ist mit mehr als fünf Millionen Katholiken nicht nur das größte in Europa (und eines der größten weltweit). Es stellte allein im 20. Jahrhundert zwei Päpste, und die meisten seiner Erzbischöfe waren seit Jahrhunderten auf den Kardinalstitel quasi "abonniert". (Beim letzten Konklave war der damalige Mailänder Kardinal Angelo Scola für die italienischen Vaticanisti der klare Favorit, doch es kam bekanntlich anders.)

Und nun hat der Papst beim letzten Konsistorium, wie um Delpini und die Mailänder zusätzlich zu düpieren, nicht nur zum vierten Mal den Erzbischof der norditalienischen Metropole übergangen; er hat seinen kleinen Nachbarn, den Bischof des Mailänder Suffraganbistums Como, Oscar Cantoni (72), zum Kardinal gemacht. Und das hatte zur Folge, dass Delpini, der auch Sprecher aller Bischöfe in der Lombardei ist, eben jenem neuen Kardinal in dessen Kathedrale die Glückwünsche der lombardischen Bischöfe überbringen musste.

Witzige Antworten

Delpini hielt zu diesem Anlass eine launige Ansprache, die seither in italienischen Medien, aber auch bei ausländischen Vaticanisti, Anlass zu allerlei Spekulationen und Debatten gab. In seiner Rede sprach Delpini unverblümt über genau die Frage, die alle bei diesem Anlass wirklich beschäftigte: Warum ausgerechnet das kleine Como - und warum nicht das große und bedeutsame Mailand? Vier Antworten hatte der übergangene Delpini parat, eine witziger als die andere - und alle wurden sie von den Anwesenden mit Lachen oder mit Applaus kommentiert.

Die erste griff zurück auf eine katholische Redensart, wonach selbst der liebe Gott die Gedanken der Jesuiten nicht versteht. Die zweite enthielt einen kleinen Seitenhieb auf den eher relativen Wert des Kardinalsamtes (sinngemäß: "ein Erzbischof von Mailand hat ohnehin genug zu tun."). Die dritte spielte an auf die alte Rivalität zwischen dem "großspurigen Mailand" und der aus Mailänder Sicht vergleichsweise unwichtigen Stadt Rom.

Erzbischof Mario Delpini / © Stefano Mariga/Romano Siciliani (KNA)
Erzbischof Mario Delpini / © Stefano Mariga/Romano Siciliani ( KNA )

Und die vierte (über die anschließend am meisten debattiert wurde) speiste sich aus einer Fußball-Analogie: Franziskus sei stets Anhänger eines Vereins in Argentinien gewesen, der nie einen großen Titel geholt hat, er habe also ein Herz für Verlierer. Und das zeige sich auch im Falle Mailand/Como. Wo doch jeder wisse, dass der italienische Fußball-Meistertitel unlängst zum wiederholten Mal nach Mailand gegangen sei.

Dass Comos Fußballverein derzeit in der zweiten Liga Italiens auf Platz 18 dümpelt, brauchte Delpini gar nicht eigens zu erwähnen, er hatte die Lacher bereits auf seiner Seite. Die Pointe mit dem "Herz für Verlierer" legte Delpini dann aber so aus, dass sie ganz klar franziskusgemäß ausfiel: Der Papst stehe halt immer auf der Seite der Schwachen - und das war dann durchaus ernst gemeint.

Dass der Erzbischof des größten italienischen Bistums sich selbst so auf die Schippe nehmen konnte und dabei am Ende auch noch ein augenzwinkerndes Lob für den Papst herauskam, ist ein wichtiger Indikator. Er zeigt: Das antiklerikale, gegen kirchliche Machtpolitik gerichtete Denken des Papstes hat selbst im italienischen Episkopat inzwischen einige Köpfe und Herzen erobert. Ob dieser Sinneswandel freilich auch beim nächsten Konklave noch anhält, steht auf einem anderen Blatt.

Stichwort: Erzbistum Mailand

Mit über fünf Millionen Katholiken gehört das Erzbistum Mailand zu den größten Kirchenbezirken der Welt. Es zählt mehr Gläubige als Sao Paolo, Chicago, Los Angeles oder Manila. An ihrer Spitze standen bedeutende Bischofsgestalten: der Kirchenlehrer Ambrosius (337-97), der große Reformtheologe Karl Borromäus (1538-84) und - wenn auch nur zu einem kurzen Intermezzo zwischen Staatssekretariat und "Appartamento" - der Selige Konzilspapst Paul VI. (1963-78).

 Touristen fotografieren sich mit Mundschutz vor der Kathedrale in Mailand / © Claudio Furlan (dpa)
Touristen fotografieren sich mit Mundschutz vor der Kathedrale in Mailand / © Claudio Furlan ( dpa )
Quelle:
KNA