Männer gründen entgegen ihren Wünschen immer später eine Familie

"Bock auf Kinder"

Mehr als 90 Prozent der jungen Männer in Deutschland wollen einer Studie eine Familie gründen, realisieren diesen Wunsch aber spät oder gar nicht. Den "ungebrochen hohen Kinderwunsch" verzeichnet die Untersuchung "Null Bock auf Familie? Der schwierige Weg junger Männer in die Vaterschaft", die am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde.

 (DR)

«Allerdings bestehen mentale und strukturelle Barrieren», betonte Thomas Rauschenbach, Leiter des Deutschen Jugendinstituts (DJI), das im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung rund 1.800 junge Männer im Alter zwischen 15 und 42 Jahren befragte.

Die Studie widmete sich in den Jahren 2007 und 2008 bundesweit sowohl kinderlosen als auch Männern mit Kindern. Danach sind trotz ausgeprägtem Kinderwunsch mehr als ein Drittel der 35- bis 40-Jährigen noch kinderlos. Als Grund nennt Rauschenbach, dass Männer ihre Vaterschaft zu rund 66 Prozent von einer stabilen Beziehung und zu 59 Prozent von einem ausreichenden Einkommen abhängig machen. Mehr als die Hälfte von ihnen wollen erst dann ein Kind zeugen, wenn sie einen sicheren Arbeitsplatz haben. Obwohl Männer als optimalen Zeitpunkt für die Vaterschaft das Alter von 28 Jahren nennen, werden sie heute im Schnitt erst mit 29 bis 33 Jahren erstmals Vater.

Auch die Herkunftsfamilie prägt: Junge Männer, die mit beiden Elternteilen aufgewachsen sind, wünschen sich häufiger eine Familie mit drei und mehr Kindern. Dieser Wunsch verstärkt sich auch bei jenen Männern, die mit mehreren Geschwistern aufgewachsen sind und Kontakt zu Kindern im Alltag haben.

«Männer befinden sich in der Modernisierungsfalle», stellte Rauschenbach fest. Sie wollten sichere Lebensbedingungen herstellen, aber auch Zeit, um sich um den Nachwuchs zu kümmern. Die frühere Bundesfamilienministerin Renate Schmidt (SPD) forderte, die Zeit für das Kinderkriegen nach vorne zu verlegen: «Wir müssen das Zeitfenster auch für Männer nach vorne öffnen. Vaterschaft und Ausbildung müssen besser vereinbar werden.» Dazu seien Teilzeit-Ausbildungsplätze, Kinderbetreuungseinrichtungen in Unternehmen sowie ein Eltern-Bafög nötig.

Silvana Koch-Mehrin, FDP-Abgeordnete im Europäischen Parlament, forderte «Männerforschung zur Chefsache zu machen». Bislang mangele es etwa an Gesundheitsberichten über Männer oder an einem «Boy's Day», bei dem Jungen in Frauenberufe hineinschnuppern könnten. «Die Politik sollte dem Männerselbstverständnis auf den Grund gehen», sagte sie. Angesichts von 98,4 Prozent weiblichen Erzieherinnen im Kindergarten müsse außerdem die Pädagogik «entfeminisiert», das heißt entweiblicht werden.