Machtkampf und Eifersüchtelei

Die Kirche im Dorf lassen

Wenn man sich alte, gewachsene Dörfer ansieht, dann steht da im Zentrum die Kirche. Drumherum: Rathaus, Wirtshäuser und die Wohnhäuser von anno dazumal. So soll das auch sein, wenn man dem Sprichwort folgt das da lautet: "Man soll die Kirche im Dorf lassen." – Oder?

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/ © Melanie Trimborn ( DR )

Was ist damit gemeint? Auf die Frage gibt es mehrere Antwortmöglichkeiten. Hinter dem Spruch sollen sich Napoleon, Machtkämpfe und Eifersüchteleien verbergen.

Kirchenverbot von oben

Im 19. Jahrhundert bemühte sich Napoleon, Staat und Kirche zu trennen.

Zu seinen Zeiten, so um 1804 herum, wurde den Protestanten im katholischen Rheinland keine Glaubensfreiheit zugebilligt.

Daher – so heißt es - soll Napoleon dann verfügt haben, dass, solange es keine Glaubensfreiheit gebe, eben auch keine weiteren Kirchen innerhalb der Ortsgrenzen gebaut werden dürften.

Das war übrigens zu einer Zeit als Napoleon auch gerne mal Kirchen entweihen und als Pferdeställe umnutzen ließ.

Machtspiele im Mittelalter

Die Kirche im Dorf war damals nicht nur das höchste Gebäude, sondern auch Sinnbild für das Machtzentrum, der Dorfpfarrei.

Nun war es wohl aber so, dass diese Dorfkirchen zu Beginn sozusagen auch über viele Stadtkirchen regierten. Zum Beispiel bei der Stadt Ulm soll das so gewesen sein.

Da gab es die Pfarrkirche, außerhalb der neuentstehenden Stadt, verwaltet vom Kloster Reichenau. Die hatte eben auch das Sagen in Ulm. Auch noch, als es das Ulmer Münster schon gab.

Die Städter haben sich dann aber nach und nach verselbständig und von der Verwaltung durch die Dorfpfarreien gelöst.

Das hat denen natürlich nicht gepasst und so sollen sie dann den Wahlspruch: "Man möge doch die Kirche im Dorfe lassen", ausgegeben haben.

Eifersüchteleien

Die einzelnen Gläubigen des Dorfes wurden als Gesamtheit "Kirche" genannt.

Diese "Kirche" machte sich, wie auch heute üblich, mehrmals im Jahr zu einer Prozession auf. Die Prozession zog damals auch schon durch die Felder um das Dorf herum.

Dabei wurde dann aber anscheinend schon mal die Dorfgrenze überschritten – was den Nachbarn wohl nicht gefiel. Daher dann eben dieses: "Na! Na! Na! Übertreibt mal nicht! Lasst mal die Kirche im Dorf." Kleine Eifersüchteleien also.