Luxemburg ändert wegen Nein des Großherzogs die Verfassung

Entmachtung im Streit um Sterbehilfe

Luxemburg steht wegen des Nein von Großherzog Henri zum geplanten Sterbehilfegesetz vor einer Verfassungsänderung. Damit soll dem Monarchen sein Vetorecht genommen werden, so Ministerpräsident Jean-Claude Juncker. Der Großherzog habe dem mit allen im Parlament vertretenen Parteien abgestimmten Vorgehen zugestimmt.

 (DR)

Juncker sagte, nur so könne eine Staatskrise des Landes abgewendet werden. Dies sei nötig, weil zur Bewältigung der gegenwärtigen Wirtschafts- und Finanzkrise alle Kräfte gebraucht würden.

Künftig soll der Großherzog Gesetze nur noch «verkünden», statt sie, wie bislang in der Verfassung vorgesehen, auch zu «billigen». Wörtlich sagte Juncker, er denke nicht, dass sich der Großherzog dem Willen eines gewählten Parlaments widersetzen könne. Der Ministerpräsident unterstrich zugleich seinen Respekt vor der Arbeit des Großherzogs; dessen Recht auf Meinungs- und Gewissensfreiheit sei zu achten.

Am Dienstag war bekanntgeworden, dass Großherzog Henri das geplante Sterbehilfe-Gesetz nicht unterzeichnen will. Die Neuregelung soll voraussichtlich in der kommenden Woche in zweiter Lesung zur Abstimmung gestellt werden. Es sieht unter anderem Straffreiheit für das ärztliche Töten auf Verlangen und Hilfe zum Selbstmord bei unheilbar Kranken vor. Damit ähnelt es den Sterbehilfegesetzen in den Niederlanden und Belgien. Die Verfassungsänderung soll jetzt so schnell verabschiedet werden, damit das Gesetz dennoch innerhalb der verfassungsmäßigen Frist von drei Monaten vom Großherzog in Kraft gesetzt werden kann.

Im Februar hatten Sozialisten und Grüne den Gesetzentwurf zur Sterbehilfe im Parlament eingebracht. Dafür stimmten 30 Abgeordnete; 26 votierten dagegen, 3 enthielten sich. Der Fraktionszwang war für die Abstimmung aufgehoben. Gleichzeitig billigte das Parlament einstimmig einen Gesetzentwurf zum Ausbau der Palliativmedizin. Die katholische Kirche hatte an der geplanten Neuregelung scharfe Kritik geübt.

Sprecher der politischen Parteien begrüßten die geplante Verfassungsänderung. Es sei auch der Wunsch des Großherzogs, nicht ins politische Tagesgeschäft eingreifen zu müssen, sagte ein Sprecher der Grünen. Sozialisten und Vertreter anderer Parteien äußerten zugleich Bedauern, dass es zu keiner tiefgreifenden Debatte über die Rolle der Monarchie komme.

Es ist das erste Mal seit Jahrzehnten, dass ein luxemburgischer Großherzog sich in das aktuelle politische Geschehen einmischt.
Zuletzt hatte sich Großherzogin Maria-Adelheid beim Streit um das Schulgesetz von 1912 in die Regierungsgeschäfte eingebracht und dafür gesorgt, dass die Reform nur mit Verzögerung in Kraft treten konnte. Im Nachbarland Belgien ließ sich der damalige König Baudouin I. 1990 vom Parlament für 36 Stunden für amtsunfähig erklären, um ein liberales Gesetz zum Schwangerschaftsabbruch nicht unterzeichnen zu müssen.