Luther hat zahlreiche Weihnachtsbräuche erfunden

Wenn das Christkind die Geschenke bringt

Das Schmücken der Weihnachtsbäume, der Christstollen oder das Christkind: Zahlreiche Bräuche heutiger Zeit haben sich langsam entwickelt. Maßgeblichen Einfluss hat dabei Martin Luther genommen, wie Bernd Prigge zu berichten weiß.

Eine Frau schmückt einen Weihnachtsbaum / © maradon 333 (shutterstock)
Eine Frau schmückt einen Weihnachtsbaum / © maradon 333 ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Eine etwas skurrile Frage zu Beginn. Was hat denn der Christstollen mit Kinderwindeln zu tun?

Symbolbild Christstollen / © ovchinnikova_ksenya (shutterstock)
Symbolbild Christstollen / © ovchinnikova_ksenya ( shutterstock )

Bernd Prigge (Pfarrer im Evangelischen Augustinerkloster in Erfurt): (lacht) Der Christstollen ist ja schön gepudert. Man hat sich vorgestellt, dass es ein wenig daran erinnert wie Jesus in Windeln liegt.

Es gibt übrigens die schöne Geschichte, dass der Christstollen, der ursprünglich aus Sachsen stammt, in der Fastenzeit mit rotem Rübenöl produziert wurde, weil Butter in der Fastenzeit nicht erlaubt war. Da gab es extra einen Bittbrief an Papst Innozenz XIII., der dann erlaubte, dass auch in der Fastenzeit Butter verwendet werden durfte. Dafür musste allerdings ein "Butterpfennig" an den Papst gezahlt werden.

DOMRADIO.DE: Martin Luther führte zum Beispiel auch die Figur das Christkinds als Geschenkebringer ein. Vorher war eigentlich der Nikolaus dafür zuständig. Wie kam es denn dazu?

Prigge: Luther war es gar nicht recht, dass die Heiligen einen so großen Stellenwert im Leben der Gläubigen eingenommen haben und dass die Heiligenfeste so groß gefeiert wurden. Er wollte sozusagen auf Christus verweisen, den man viel größer als alle Heiligen feiern sollte. Sein Ansinnen war zu überlegen, was man tun muss, damit das Weihnachtsfest aufgewertet wird, größer begangen und als Fest wichtiger wird. Man weiß nicht ganz genau, ob ihm selber die Idee kam, aber zumindest greift er es auf, indem das Christkind dann an Heiligabend die Geschenke bringt.

Bernd Prigge (Pfarrer im Evangelischen Augustinerkloster in Erfurt)

Luther hat einige Weihnachtslieder komponiert, wie zum Beispiel "Vom Himmel hoch, da komm ich her".

DOMRADIO.DE: Weiß man denn historisch gesehen, wie Luther selbst Weihnachten gefeiert hat?

Prigge: Auf alle Fälle war es damals so, dass es noch kein großes Familienfest war. Zu einem Familienfest mit viel Musik wurde es erst dadurch, dass das Christkind kam und das Fest mit den Kindern zelebriert wurde. Luther hat einige Weihnachtslieder komponiert, wie zum Beispiel "Vom Himmel hoch, da komm ich her".

Vor allen Dingen war es aber so, dass Weihnachten in der Kirche gefeiert wurde, besonders am ersten Weihnachtstag. Der 25. Dezember war sozusagen der Feiertag. Das war mit einem Fastenbrechen verbunden, denn vorher war Fastenzeit. Man hatte also vor dem Weihnachtsfest verzichtet. Dann durfte ab dem ersten Weihnachtstag richtig wieder geschlemmt werden.

DOMRADIO.DE: Traditionell gehört für uns an Heiligabend das Krippenspiel dazu. Hat Luther das denn auch erfunden?

Eine Weihnachtskrippe steht am 23. November 2022 auf einem Tisch bei einer Ausstellung in Ahrweiler / © Harald Oppitz (KNA)
Eine Weihnachtskrippe steht am 23. November 2022 auf einem Tisch bei einer Ausstellung in Ahrweiler / © Harald Oppitz ( KNA )

Prigge: Nein, das hat Luther nicht erfunden. Es kommt eigentlich von Franz von Assisi. Der hatte das Krippenspiel mit einem Stall und Ochs und Esel schon 300 Jahre vor ihm erfunden.

Man vermutet, dass Luther es aufgegriffen hat. Allerdings nicht in der Kirche, sondern er hat es in der Familie zu Hause mit verschiedenen Personen in verschiedenen Rollen gespielt.

DOMRADIO.DE: Wie kommt es denn, dass diese "Erfindungen" der Protestanten heute auch in der katholischen Tradition so fest verankert sind?

Prigge: Im Christentum ist eigentlich das Osterfest viel größer. Weihnachten und die Geburt Jesu spielt in den Paulusbriefen und Evangelien eine kleinere Rolle. Aber ich glaube, dieses Fest spricht uns wahrscheinlich am emotionalsten an. Denn man begeht dieses Fest in einer dunklen Jahreszeit mit vielen Lichtern. Eine Hoffnungsgeschichte wird erzählt. Deshalb waren, glaube ich, alle sehr empfänglich dafür, dieses Weihnachtsfest bedeutsamer zu machen und aufzuwerten.

Wobei man natürlich sagen muss, dass die Protestanten hinterher sehr anfällig für den Weihnachtsmann geworden sind und das Christkind eher in katholischen Gegenden "überlebte".

Bernd Prigge (Pfarrer im Evangelischen Augustinerkloster in Erfurt)

"Das war Luther zu viel, weil er dahinter auch die Heiligenverehrung vermutete."

Ich selber bin eher mit dem Weihnachtsmann aufgewachsen und nicht mit dem Christkind. Hinterher wurde manchmal auch geschimpft. Die Protestanten seien die "Christbaum"- oder die "Weihnachtsbaum"-Religion hieß es dann. Da wurde eher der Weihnachtsbaum gepflegt anstatt der Weihnachtskrippe. Denn in der katholischen Tradition ist es immer schon üblich gewesen, eine Weihnachtskrippe aufzustellen. Doch das war Luther zu viel, weil er dahinter auch die Heiligenverehrung vermutete. Deshalb bekam der Christbaum plötzlich so eine große Bedeutung.

Letztlich ist der Weihnachtsmann ja auch der Nikolaus. Das ist noch mal wichtig zu betonen. Der Nikolaus rutscht hinterher zum Weihnachtsfest, weil das mit dem Christkind zumindest in vielen Traditionen irgendwie nicht so richtig logisch ist. Denn Jesus selber ist ja gar nicht das Christkind, sondern eine Engelsgestalt. Deshalb nimmt man wieder den Nikolaus, der dann aber an Heiligabend und nicht am Nikolaus die Geschenke bringt.

Das Interview führte Elena Hong.

Quelle:
DR