Lokführer weiten Ausstand auf Personenverkehr aus - FDP fordert "Bahngipfel" bei Merkel

Bislang längster Bahnstreik

Die Lokführergewerkschaft GDL hat ihren am Mittwoch begonnenen Streik im Güterverkehr der Deutschen Bahn in der Nacht zu Donnerstag bundesweit auf den Fern-, Regional- und S-Bahnverkehr ausgeweitet. Der Arbeitskampf soll 48 Stunden bis Samstagmorgen um 2.00 Uhr andauern. Es ist der bislang längste Streik bei der Deutschen Bahn. Die GDL fordert vor allem einen eigenständigen Tarifvertrag für die Lokführer. Dies lehnt der Bahnvorstand bislang ab. GDL-Chef Manfred Schell erwartet derweil keine rasche Lösung des Tarifstreits. Christian Schlegel hat sich mit Betroffenen und Lokführern getroffen.

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Manfred Rey
 (DR)

Laut Bahn fahren die Züge im Personenverkehr am Donnerstag stabil nach einem Ersatzfahrplan. Im Fernverkehr verkehrten rund zwei Drittel der Züge, vor allem ICE-Züge. Im ICE-Verkehr ab Berlin gebe es einzelne Ausfälle. In Westdeutschland fahren danach rund 50 Prozent der Regionalbahnen. Erhebliche Einschränkungen gebe es aber im S-Bahnverkehr.

In den neuen Ländern verkehrten lediglich zehn Prozent der Regionalbahnen. In Dresden, Leipzig und im Großraum Halle fahren den Angaben zufolge nur einzelne S-Bahn-Züge. In Berlin verkehre die S-Bahn in einem 20- bis 40-Minuten-Takt. Die S-Bahn in Hamburg fahre rund 40 Prozent ihrer normalen Leistung. In Frankfurt am Main und in Stuttgart verkehrte ein Drittel aller S-Bahn-Züge. Die S-Bahn-München fährt auf der Linie S8 (Flughafen-S-Bahn) in einem 20 Minuten-Takt. In Nordrhein-Westfalen fahren die S-Bahnen lediglich im Ein-Stunden-Takt.

Von den Streikmaßnahmen im Fernverkehr sind insbesondere die IC-Züge betroffen. Auch hier setzt die Bahn auf zahlreichen Linien wie zum Beispiel Berlin-Stralsund, Berlin-Dresden, Berlin-Frankfurt/Oder und Berlin-Cottbus Busse ein. Bundesweit gebe es fast 500 Busse im Schienenersatzverkehr.

Die Bahn will trotz Ausweitung des Streiks an ihrer harten Linie festhalten. Bahnvorstand Karl-Friedrich Rausch sagte am Mittwochabend, wenige tausend Mitarbeiter der Bahn wollten mit einem eigenständigen Tarifvertrag "auf eine einsame Insel". Sie müssten aber "in die Prozesse der Bahn integriert bleiben" und könnten sich nicht aus dem gesamten Gefüge verabschieden.

Die GDL rechnet offenbar nicht mit einem schnellen neuen Angebot der Bahnspitze. Schell sagte, er habe bislang "keine Hinweise", dass die Bahn auf ihn zugehen wolle. Schells Stellvertreter, Claus Weselsky, sagte: "Wir gehen davon aus, dass wir in den nächsten 14 Tagen zu einer Lösung kommen."

FDP-Fraktionsvize Rainer Brüderle forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) unterdessen auf, einen "Bahngipfel" im Kanzleramt einzuberufen. "Solange die Bahn noch ein Bundesunternehmen ist, darf die Bundeskanzlerin beim flächendeckenden Streik nicht länger abtauchen." Die Kanzlerin müsse die Bahn jetzt zur Chefsache machen und Bahn-Chef Hartmut Mehdorn sowie Schell an den Verhandlungstisch holen.

Die Energieexpertin am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), Claudia Kemfert, fordert die Bundesregierung ebenfalls auf, sich in den Tarifkonflikt einzuschalten. "Es kann nicht sein, dass über sechs Monate hier ein solcher Streik stattfindet und immer wieder gestreikt wird", sagte sie.

Der Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung befürchtet derweil horrende Kosten durch den Ausstand. Der stellvertretende Verbandsgeschäftsführer Adolf Zobel sagte: "Wenn die Seehäfen blockiert werden, wird der tägliche wirtschaftliche Schaden noch über 500 Millionen Euro hinausgehen. Dann könnten wir Spitzenwerte von ein bis zwei Milliarden Euro am Tag erreichen."

Die Bahnstreiks bescheren den Billigfliegern in Deutschland unterdessen einen deutlichen Kundenzuwachs. So verzeichnet Air-Berlin nach Angaben ihrer Sprecherin Claudia Loeffler Zuwächse zwischen 15 und 30 Prozent. Auch Germanwings registriert eine "stärkere Dynamik bei den Buchungen". Ab Berlin würden vor allem Flüge nach Köln und München stark nachgefragt, sagte Sprecher Heinz-Joachim Schöttes.