Mehr Schutz vor Genitalverstümmelung gefordert

Lockdown erschwert Hilfe

Menschenrechtler warnen anlässlich des Tags gegen weibliche Genitalverstümmelung vor dramatischen Folgen durch die Corona-Krise. Junge Frauen könnten kaum Hilfe bekommen. Die Bundesregierung komme ihrer Schutzpflicht nicht nach.

Symbolbild: Gewalt an Frauen / © 271 EAK MOTO (shutterstock)
Symbolbild: Gewalt an Frauen / © 271 EAK MOTO ( shutterstock )

"Für Mädchen, die von weiblicher Genitalverstümmelung bedroht oder betroffen sind, ist es in Lockdownzeiten fast unmöglich, Hilfe zu suchen", beklagte die Bundesgeschäftsführerin von Terre des Femmes, Christa Stolle, am Donnerstag.

Durch die drastische Einschränkung sozialer Kontakte und damit auch den Rückgang von regelmäßigen Arztbesuchen oder der Schließung von Schulen und Sportvereinen fielen fast alle niedrigschwelligen Anlaufstellen weg, denen sich bedrohte Mädchen vor der Pandemie anvertrauen konnten, hieß es. Der Menschenrechtsverein für Frauen forderte in Deutschland effektive Interventionsketten, die betroffenen und bedrohten Mädchen helfen - auch in pandemiefreien Zeiten.

Meldepflicht bei Genitalverstümmelungen gefordert

Die Hilfsorganisation Taskforce FGM warf der Bundesregierung vor, ihrer Schutzpflicht für gefährdete Mädchen nicht nachzukommen. So müsse eine gesetzliche ärztliche Meldepflicht bei diagnostizierten Genitalverstümmelungen eingeführt werden, um eine Strafverfolgung der Täter zu ermöglichen. Bislang blieben auch in Deutschland erfolgte Taten oftmals straffrei, kritisierte die Organisation.

Die Organisationen Nala und Plan International mahnten einen gesamtgesellschaftlichen Dialog über das Thema an. "Wir brauchen mehr Menschen, die auf Augenhöhe über das Thema aufklären", betonte die Vorsitzende von Nala, Fadumo Korn. "Mit Verboten kommen wir nicht weit. Prävention ist der Schlüssel."

Auch in Deutschland solle der interkulturelle Austausch über das Thema gestärkt werden, erklärte die Vorsitzende der Geschäftsführung der Kinderrechtsorganisation Plan International Deutschland, Maike Röttger. "Nur durch Aufklärung und Respekt gegenüber anderen Kulturen gelingt es uns, die Menschen zu einem nachhaltigen Bewusstseinswandel bewegen."

67.000 Frauen in Deutschland genital verstümmelt

Die Deutsche Stiftung Weltbevölkerung forderte ein weltweites Verbot. Die internationale Gemeinschaft solle entschlossen die strukturellen Ursachen der Praxis angehen und Überlebende medizinisch, rechtlich und psychosozial unterstützen, erklärte das Hilfswerk in einer Videobotschaft. Berichte aus Ostafrika belegten, dass Lockdown und Schulschließungen dazu führten, dass viele Mädchen zu Hause blieben und damit der Genitalverstümmelung in ihren Gemeinschaften ausgesetzt seien, erklärte das Hilfswerk in Hannover.

Bereits am Mittwoch hatte die Frauenhilfsorganisation Solwodi gefordert, weibliche Genitalverstümmelung in Asylverfahren ohne Einschränkung als Fluchtgrund anzuerkennen. Oft würden Asylanträge von Frauen mit kleinen Töchtern abgelehnt, obwohl sie aus Ländern stammten, in denen die Genitalien von Mädchen verstümmelt würden. Deutschland müsse den Betroffenen Schutz und Sicherheit bieten.

Auch in Deutschland ist Genitalverstümmelung ein Thema. Nach Angaben des Bundesfamilienministeriums leben etwa 67.000 Frauen in Deutschland, die verstümmelt wurden. Die Zahl sei in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Nach deutschem Recht steht weibliche Genitalverstümmelung zwar unter Strafe, viele Frauen werden aber bei Besuchen in ihren Herkunftsländern beschnitten.

Nach Angaben von Solwodi überleben etwa zehn Prozent der Mädchen die Prozedur nicht, die vielerorts unter unhygienischen Bedingungen mit Glasscherben oder Rasierklingen vorgenommen wird.


Quelle:
KNA
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